Machwerk R.W. Aristoquakes
Teil 10 - 234
Märchenerzähler
im Olymp
Den Seelen in den heil'gen Hallen
Hatte die Story gut gefallen.
Von den jüngeren sogar
Klatschten Beifall laut ein paar.
Sie schienen Spaß daran zu haben
An dem was grad ward vorgetragen
Und über den Höllenfürsten der
In der Hölle schmort seither.
Hypeiron, von Diomed' einst in der Schlacht
(Ilias 5/144 ff; Troer von Diomedes getötet)
Vor Trojas Toren umgebracht,
War als nächster Erzähler dann
Mit einer Froschgeschichte dran.
Er zauderte nicht lang herum
Sondern las dem Publikum
Mit seinem brummenden Tenor
Das Märchen von der Padde vor.
Das Märchen von der Padde
Johann Gustav Gottlieb Büsching
(1783-1829)
Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne. Es
lebte aber auch damals eine alte Frau, die hatte nur ein Töchterlein, welches
Petersilie hieß. Der König schickte seine Söhne aus, um sich in der Welt
umzusehen, seine und fremde Lande kennen zu lernen, um so weise genug zu
werden, dereinst ihr Erbteil beherrschen zu können. Die alte Frau aber lebte
stille und eingezogen mit ihrem Töchterlein, das den Namen davon hatte, dass es
Petersilie lieber als alle andere Speise aß, ja einen rechten Heißhunger
darnach hatte. Die arme Mutter hatte nicht Geld genug, immer und immerfort
Petersilie für die Tochter zu kaufen, und es blieb ihr daher nichts übrig, da
das Töchterlein gar zu schön war und sie auf keine Weise ihrer Schönheit
nachtheilig sein wollte, als nächtlich aus dem Garten des gegenüberliegenden
Jungfrauenklosters die schönsten Petersilienwurzeln zu entwenden und das Töchterchen
damit zu füttern. Das Gelüst der schönen Petersilie war nicht unbekannt, eben
so wenig blieb der Diebstahl verborgen, und die Äbtissin war über ihre schöne
Nachbarin nicht wenig erzürnt.
Die drei Prinzen kamen auf ihrer Wanderung auch in
das Städtlein, wo Petersilie mit ihrer Mutter wohnte und gingen gerade durch
die Straße, als das schöne Mägdlein am Fenster stand und ihre langen,
wunderprächtigen Haare kämmte und flocht. Entzündet von Liebe, stieg in einem
jeden der Wunsch auf, die Schöne zu besitzen, und kaum war der Wunsch über die
Lippen gekommen, als auch ein jeglicher, in blinder Eifersucht, seinen Säbel
zog und auf seinen brüderlichen Mitbewerber losging. Der Kampf ward nicht wenig
heftig, auch die Äbtissin trat an die Pforte, und kaum hatte die fromme Frau
gehört, dass ihre Nachbarin die Ursache sei, als aller Grimm, früher und
späterer, sich in ihr zu der Verwünschung sammelte: sie wünschte, dass
Petersilie in einen hässlichen Frosch verwandelt würde und unter einer Brücke
am entferntesten Ende der Erde säße. Kaum ausgesprochen, ward Petersilie ein
Frosch und war verschwunden. Die Prinzen, die nun keinen Gegenstand des Kampfes
hatten, steckten ihre Degen ein, umarmten sich wieder brüderlich und zogen heim
zu ihrem Vater.
Der alte Herr merkte indessen, dass er stumpf und
schwach in den Regierungsgeschäften ward, und wollte daher das Reich abtreten,
aber wem? dazu konnte sich sein väterliches Herz nicht entschließen, unter den
drei Söhnen zu wählen. Das Schicksal sollte es bestimmen und er ließ sie daher
vor sich kommen. »Meine lieben Kinder, - sprach er - ich werde alt und schwach
und will meine Regierung niederlegen, kann mich aber nicht entschließen, einen
von euch zu wählen, da ich euch alle drei gleich zärtlich liebe und denn doch
auch dem Besten und Klügsten von euch mein Volk übergeben wollte. Ihr sollt mir
daher drei Aufgaben lösen und wer sie mir löst, der soll mein Erbe sein. Das
erste ist: ihr müsst mir ein Stück Leinewand von hundert Ellen bringen, das man
durch einen goldnen Ring ziehen kann.« Die Söhne verneigten sich, versprachen
ihr möglichstes zu tun und machten sich auf die Reise.
Die beiden ältesten Brüder nahmen viel Gefolge und
viele Wagen mit, um alle die schöne Leinewand, die sie finden würden,
aufzuladen, der Jüngste ging ganz allein. Bald kamen drei Wege, zwei lustig und
trocken, der dritte düster, feucht und schmutzig. Die beiden älteren Brüder
nahmen die beiden ersten Wege, der Jüngste nahm Abschied von ihnen und
schlenderte den düstern Weg entlang. Wo nur schöne Leinewand war, besahen sie
die älteren Brüder und erstanden sie, ihre Wagen krachten unter der Last, und
wo nur irgend der Ruf sie hinwies, dahin eilten sie auch und kauften. Sie
kehrten reich versehen zurück. Der Jüngste dagegen ging mehrere Tagereisen auf
seinem unwirtlichen Wege fort, nirgends wollte ihm ein Ort erscheinen, in dem
er auch nur eine erträglich feine Leinewand gefunden und so reiste er lange und
ward immer missmutiger.
Einst kam er an eine Brücke, setzte sich an dem
Rande nieder und seufzte recht tief über sein böses Schicksal. Da kroch eine
missgestaltete Padde aus dem Sumpf hervor, stellte sich vor ihn und fragte, mit
nicht ganz übel tönender Stimme: was ihm denn fehle? Der Prinz, unwillig,
antwortete: »Frosch, du wirst mir nicht helfen.« - »Und doch, - erwiderte der
Frosch - sagt mir nur eure Leiden.« Nach mehren Weigerungen erklärte endlich
der Prinz die Ursache, warum ihn sein Vater ausgesendet habe. »Dir soll
geholfen werden,« sagte die Padde, kroch in ihren Sumpf zurück und zerrte bald
ein Läppchen Leinewand, nicht größer als eine Hand und nicht eben zum
saubersten aussehend, hervor, das sie vor den Prinzen niederlegte und ihm
andeutete, das solle er nur nehmen. Der Prinz hatte gar keine Lust, ein so übel
scheinendes Läppchen anzunehmen, doch lag etwas in den Zuredungen der Padde,
das ihn bereitwillig machte und er dachte: etwas ist doch besser, als gar
nichts, steckte daher sein Läppchen ein und empfahl sich dem Frosche, der
mühsam sich wieder in das Wasser schob.
Je weiter er ging, je mehr merkte er zu seiner
Freude, dass ihm die Tasche, in welche er das Läppchen gesteckt hatte, immer
schwerer ward und er wanderte daher mutvoll auf den Hof seines Vaters zu, den
er auch in kurzem erreichte, als eben auch seine Brüder mit ihren Frachtwagen
wieder anlangten. Der Vater war erfreut, seine drei Kinder wieder zu sehen, zog
sogleich seinen Ring vom Finger und die Probe begann. Auf alle den Frachtwagen
war auch nicht ein Stück, das nur zum zehnten Teile durch den Ring gegangen
wäre, und die beiden ältern Brüder, die erst ziemlich spöttisch auf ihren
Bruder, der ganz ohne alle große Vorräte gekommen war, sahen, wurden ziemlich kleinlaut.
Wie ward ihnen zu Mute, als er aus seiner Tasche ein Gespinst zog, das an
Zartheit, Feinheit und Weiße alles übertraf, was man je gesehen hatte. Es
wallte in glänzenden Lagen und ging nicht allein höchst bequem durch den Ring
durch, man hätte wohl noch ein Stück zu gleicher Zeit durch den Ring ziehen
können, und dennoch gab das Maas richtige hundert Ellen.
Der Vater umarmte den glücklichen Sohn, befahl die
unbrauchbare Leinewand ins Wasser zu werfen, und sagte dann zu seinen Kindern:
»nun, ihr lieben Prinzen, müsst ihr die zweite Forderung erfüllen, ihr müsst
mir ein Hündlein bringen, das in eine Nuss-Schale passt.« Die Söhne waren über
eine so wunderbare Aufgabe nicht wenig erschrocken, aber der Reiz der Krone war
zu groß, sie versprachen auch dies zu erfüllen zu suchen, und wanderten nach
wenig Tagen Ruhe wieder aus.
Am Scheidewege trennten sie sich; der Jüngste sie
ging seinen feuchten, unscheinbaren Weg, er hatte schon bei weitem mehr Muth.
Kaum hatte er einige Zeit an der Brücke gesessen und wieder geseufzt, so kroch
auch die Padde wieder hervor, setzte sich ihm, wie das erste Mal, gegenüber,
öffnete den weiten Mund und fragte: was ihm denn fehle? Der Prinz setzte
diesmal keinen Zweifel in die Macht der Padde, sondern gestand ihr gleich sein
Bedürfnis. »Dir soll geholfen werden,« sagte wiederum die Padde, kroch in den
Sumpf und brachte ein Haselnüsslein hervor, legte sie ihm vor die Füße, sagte
ihm, er solle sie nur mitnehmen und seinen Herrn Vater bitten, die Nuss sauber
aufzuknacken, das andere würde er schon sehen. Der Prinz ging vergnügt fort und
die Padde schob sich wieder mühsam in das Wasser hinab.
Daheim waren die Brüder auch schon zu gleicher Zeit
angekommen und hatten eine große Menge sehr zierlicher Hündlein mitgebracht.
Der alte Vater hatte eine beträchtlich große Wallnussschale bereit und schob
jedes Hündlein hinein, aber die hingen bald mit den Vorderfüßen, bald mit dem
Kopf, bald mit den Hinterfüßen, bald ganz über die Wallnussschale fort, so dass
gar nicht daran zu denken war, dass ein Hündlein hineingepasst hätte. Als nun
kein Hund mehr zu proben übrig war, überreichte der Jüngste mit einer
zierlichen Verbeugung dem Vater seine Haselnuss und bat, sie auf das
behutsamste aufzuknacken. Kaum hatte der alte König es getan, als aus der
Haselnuss ein wunderkleines und niedliches Hündlein sprang, das gleich auf der
Hand des Königs umher lief, mit dem Schwänzlein wedelte, ihm schmeichelte und
gegen die andern auf das zierlichste bellte.
Die Freude des Hofes war allgemein, der Vater
umarmte wieder den glücklichen Sohn, befahl abermals, die andern Hunde in das
Wasser zu werfen und zu ersäufen, und sagte dann zu seinen Söhnen: »liebe
Kinder, die beiden schwierigsten Bedingungen sind nun erfüllt. Hört nun mein
drittes Verlangen: wer die schönste Frau mir bringt, der soll mein Erbe und
Nachfolger sein.« Die Bedingung war zu nahe, der Preis zu reizend, als dass die
Prinzen nicht sogleich, jeder auf seinem gewohnten Wege, wieder hätten
aufbrechen sollen.
Dem Jüngsten war diesmal gar nicht wohl zu Mute. Er
dachte: alles andere hat der alte Frosch wohl erfüllen können, aber nun wird's
vorbei sein, wo wird er mir ein schönes Mädchen und noch dazu das schönste
herschaffen können? seine Sümpfe sind fern und breit menschenleer und nur
Kröten, Unken und anderes Ungeziefer wohnt dort. Er ging indessen doch fort und
seufzte diesmal aus schwerem Herzen, als er wieder an der Brücke saß. Nicht
lange darnach stand die Padde wieder vor ihm und fragte: was ihm fehle? »Ach,
Padde, diesmal kannst du mir nicht helfen, das übersteigt deine Kräfte.« - »Und
doch - erwiderte der Frosch - sagt mir nur euer Leiden.« Der Prinz entdeckte
ihm endlich seine neuen Leiden. »Dir soll geholfen werden - sagte wieder der
Frosch - gehe du nur voran, die Schöne wird dir schon folgen, aber du musst
über das, was du sehen wirst, nicht lachen.« Darauf sprang er, wider seine
Gewohnheit, mit einem herzhaften Sprunge weit in das Wasser hinein und
verschwand.
Der Prinz seufzte wiederum recht tief, stand auf
und ging fort; denn er erwartete nicht viel von dem Versprechen. Kaum hatte er
einige Schritte gemacht, so hörte er hinter sich ein Geräusch; er blickte sich
um und sah sechs große Wasserratzen, die, in vollem Trabe, einen Wagen von
Kartenpappe gemacht hinter sich herzogen. Auf dem Bocke saß eine übergroße
Kröte als Kutscher, hinten auf standen zwei kleinere Kröten als Bediente und
zwei bedeutend große Mäuse, mit stattlichen Schnurrbärten, als Heiducken, im
Wagen selbst aber saß die ihm wohlbekannte dicke Padde, die, im Vorbeifahren,
etwas ungeschickt, aber doch möglichst zierlich, ihm eine Verbeugung machte.
Viel zu sehr in Betrachtungen vertieft von der Nähe
seines Glückes, und wie ferne er nun sei, da er die schönste Schöne nicht
finden würde, betrachtete der Prinz kaum diesen lächerlichen Aufzug, noch
weniger hatte er gar Lust zu lachen. Der Wagen fuhr eine Weile vor ihm her und
bog dann um eine Ecke. Wie ward ihm aber, als bald darauf um dieselbe Ecke ein
herrlicher Wagen rollte, gezogen von sechs mächtigen, schwarzen Pferden,
regiert von einem wohl gekleideten Kutscher und in dem Wagen die schönste Frau,
die er je gesehen und in der er sogleich die reizende Petersilie erkannte, für
die sein Herz schon früher entbrannt war. Der Wagen hielt bei ihm stille,
Bediente und Heiducken, aus der Tiergestalt entzaubert, öffneten ihm den Wagen
und er säumte nicht, sich zu der schönen Prinzessin zu setzen.
Bald kam er in der Hauptstadt seines Vaters an, mit
ihm seine Brüder, die eine große Menge der schönsten Frauen mit sich führten,
aber als sie vor den König traten, erkannte sogleich der ganze Hof der schönen
Petersilie den Kranz der Schönheit zu, der entzückte Vater umarmte seinen Sohn,
als Nachfolger, und seine neue Schwiegertochter, die anderen Frauen wurden aber
alle, wie der Leinewand und den Hündlein geschehen war, ins Wasser geworfen und
ersäuft. Der Prinz heiratete die Prinzessin Petersilie, regierte lange und
glücklich mit ihr, und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch.
Quelle:
Es war einmal; Märchen aus 5 Jahrhunderten, Rostock 1982
wird fortgesetzt
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