Machwerk R.W. Aristoquakes
Teil 10 - 247
Märchenerzähler
im Olymp
Als nächster musst' Imbrasos nun
(Ilias 4/520; Vater des Peireos)
Seine Erzählerpflichten tun.
Peireos Vater, hoch betagt
Trat ans Rednerpult und dann
fing er sogleich unverzagt
Von Hansel zu erzählen an
Und wie es dereinst dazu kam
Dass der 'ne Krott zur Gattin nahm.
Die seltsame Heirat
Vor langer
Zeit hatte ein Bauer drei Söhne, von denen der mittlere ein rechter Lapp war.
Man mochte ihm auftragen, was man wollte, alles tat er verkehrt. Eines Tages
war er ganz betrübt, denn seine Brüder wollten ihm einen Teil der
Hauswirtschaft nicht überlassen, weil er gar so dumm war.
Da wusste
er sich vor Ärger und Verdruss gar nicht zu fassen und ging in den Wald hinaus,
um seine Brüder nicht mehr zu sehen. Als er so durch den dichten, dunklen Forst
dahinwanderte, hörte er plötzlich in der Nähe seinen Namen rufen. Er dachte
sich wer das sei und ging der Gegend zu, aus der die Stimme zu kommen schien.
Er war
nicht weit gegangen, so gelangte er zu einem schönen, blauen See und erblickte
am Gestade eine Kröte, der ihm immer zurief: "Hansl, Hansl!"
"Was
willst du denn?" fragte Hansl, der ganz erstaunt war.
"Nichts
sonst", antwortete die Kröte. "Ich bin so mutterseelenallein, und da
möchte ich dich zur Gesellschaft haben."
Der Hansl
hatte Mitleid mit dem armen Tier, setzte sich auf einen Stein und plauderte die
längste Zeit mit der Kröte. Wie es dann Abend wurde, und ein kühler Luftzug
strich schon über das Wasser, da dachte sich Hansl, ich muss doch heimgehen,
und nahm von der Kröte Abschied.
Diese
sagte aber: "Komm mich bald wieder besuchen, und dann kannst du verlangen,
was du willst, ich werde es dir geben." Er gab ihm auch ein Stäbchen und
fuhr fort: "Nimm dieses Stäbchen, und wenn du damit in den See
hineinschlägst, weiß ich schon, dass du da bist."
Nach
diesen Worten hüpfte sie ins Wasser, dass es einen lauten Patsch tat, und Hansl
ging freudig mit seinem Stäbchen nach Hause. In der Nacht konnte er nicht
schlafen, denn immer dachte er an die Kröte und das Stäbchen, und er wunderte
sich sehr, ob wohl das, was die Krott gesagt hatte, wahr sei. In aller Frühe,
als die Hennen noch auf einem Fuß standen und schliefen, stand er schon auf,
nahm das Stäbchen und wanderte in den dunklen Wald hinaus und ging, bis er zum
See kam. Und wie er dort war, schlug er mit dem Stäbchen ins Wasser, dass es
weite Wellen schlug, und sogleich hörte er die Kröte fragen: "Hansl, was
willst du?"
Er
antwortete: "Drei Schneuztüchlein."
Kaum hatte
er es gesagt, so flogen drei schöne Tücher aus dem Wasser heraus, und Hansl
ging damit voll Freude nach Hause. Als er dort war, dachte er bei sich, ich
habe so schöne Schneuztücher, und meine Brüder haben nur schlechte; ich muss
ihnen schon auch zwei davon geben. Gedacht, getan! Das schönste Tuch behielt er
für sich, die andern beiden gab er seinen Brüdern.
Am anderen
Morgen ging Hansl wieder, bevor der Tag graute, in den Wald zum See hinaus und
schlug mit dem Stäbchen ins Wasser. Da fragte die Kröte wieder: "Was
willst du?", und Hansl antwortete: "Drei schöne
Schnupftabakbüchsen."
Kaum hatte
er es gesagt, kam die Krott aus dem Wasser herausgewatschelt und sprach:
"Lieber Hansl, ich kann dir diese nicht geben, denn ich habe keine
vorrätig. Tu aber einen anderen Wunsch, und ich werde ihn erfüllen."
Da besann
sich der Lapp nicht lange und sprach: "Das liebste wäre mir, wenn ich
heiraten könnte und dürfte!"
Der Kröte
schien dieser Wunsch zu gefallen, und sie erwiderte: "Wenn du heiraten
willst, so soll dir bald geholfen sein. Du heiratest mich, und dann ist alles
abgetan."
Als Hansl
dies hörte, hatte er die größte Freude, denn er hatte jetzt auch eine Braut.
Jetzt konnten die Dorfmädchen sehen, dass er doch eine gekriegt hatte. Er
setzte sich nun auf einen Stein nieder, und die Krott kroch auf seinem Knie
herauf, und sie saßen den ganzen Tag beisammen und besprachen alles, was bei
solchen Gelegenheiten besprochen wird. Und als sie noch nicht alles abgeredet
hatten, fing es schon an zu dunkeln, die Kröte nahm von Hansel Abschied und
sprang in den See hinein, und Hansel eilte voll Freude nach Hause.
Am folgenden
Tag, es war gerade ein Samstag, ging er, ohne dem Vater oder den Brüdern etwas
davon zu sagen, in den Pfarrhof und sagte dem Pfarrer, er wolle jetzt heiraten
und habe mit seiner Braut alles in Ordnung. Er bat dann, der Herr Pfarrer möge
den Verkündzettel schreiben und ihn morgen nach der Predigt verkünden.
Der
Pfarrer glaubte anfangs, Hansl sei nicht bei Sinnen, und wollte ihm nicht
willfahren. Als dieser aber auf seinem Vorhaben bestand, gab der Geistliche
nach, und schrieb, was ihm Hansl ansagte, staunte aber nicht wenig, als der
junge Bauer keine Braut nannte. Sie zu nennen, hatte ihm nämlich die Kröte
verboten. Der Pfarrer mochte fragen und tun, was er wollte, Hansl erwiderte
immer: "Ich darf meine Braut nicht nennen."
Am Sonntag
wurde die Hochzeit verkündet, und alle Zuhörer lachten hellauf, dass der Lapp,
ohne eine Braut zu haben, heiraten wollte. Als er aus der Kirche nach Hause
kam, waren Vater und Brüder über ihn böse und verlachten ihn. Ihm war jedoch
alles gleichgültig, und er kümmerte sich nicht darum und ging oft zum See zu
seiner Kröte hinaus.
Endlich
kam der Hochzeitstag, und da hättest du die Freude des Hansl sehen sollen!
Als es
noch nicht Ave-Maria geläutet hatte, fuhr er schon in einer prächtigen Kutsche
in den Wald hinaus, um seine Braut zu holen. Als er am See ankam, wartete die
Kröte schon am Ufer, wurde von Hansl sogleich in die Kutsche gehoben, und dann
ging es im schnellsten Trab über Stock und Stein der Kirche zu. Vor der
Kirchtür wurde sie wieder aus dem Wagen gehoben und patschte an der Seite Bräutigams zum Altar, wo der Geistliche auf
das Brautpaar schon harrte.
Dieser
machte keine kleinen Augen, als er die garstige Kröte sah, nahm aber keinen
Anstand, das seltsame Paar zu trauen. Nach dem Gottesdienst watschelte die
Kröte wieder zur Kirchentür, wurde von Hansl wieder in den Wagen gehoben und fuhr
dann mit ihrem Manne von dannen zum See. Wie sie dort angekommen waren, hob
Hansl sie wieder aus dem Wagen, und sie sprang lustig in den See hinein.
Da war Hansl
gar traurig und wusste nicht, was er tun sollte. Er nahm endlich sein Stäbchen
und schlug in das Wasser, und siehe da! – eine wunderschöne Frau stieg aus dem
See und eilte auf den Hansl los und halste und herzte ihn, dass er fast
erdrückt wurde.
Dann
stiegen beide in die Kutsche und fuhren in das Dorf zurück. Da staunte jung und
alt die Braut an, denn so eine schöne Frau hatte man noch nie gesehen.
Es gab nun
eine lustige Hochzeit, bei der ihnen der Himmel voller Geigen hing und der
Tisch voll Speisen war, und die Braut war glückselig, dass sie erlöst war.
Hansl und seine reiche, schöne Frau lebten lange, lange Zeit glücklich und
zufrieden beisammen und sprachen noch oft im Alter von ihrer seltsamen Heirat.
wird fortgesetzt
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen