Machwerk
R.W. Aristoquakes
Teil 10 - 463
Märchenerzähler
im Olymp
Nach dem Priester des Zeus aus Dodona
(Ilias 2/750; 16/233; Orakelstätte des Zeus in Epiros)
Und seinem Rana in fabula,
Musste auch Somele nun
(Ilias 14/323; Durch Zeus Mutter des Dionysos)
Ihre Pflicht als Seele tun.
Die Mutter des Dionysos
Begann den Vortrag furios.
"Der Frosch sprach: "Kost's mein Königreich,
Ich tue es dem Ochsen gleich."
Nach diesem Vers-Eröffnungswort
Fuhr sie in freier Rede fort
Und erzählte ohn' Gewähr
Von Löwen und dem Frosch die Mähr.
Der Löwe und der Frosch
Es war ein König und eine Königin, die hatten einen Sohn und eine
Tochter, die hatten sie herzlich lieb. Der Prinz ging oft auf die Jagd und
blieb manchmal lange Zeit draußen im Wald, einmal aber kam er gar nicht wieder.
Darüber weinte sich seine Schwester fast blind, endlich, wie sie's nicht länger
aushalten konnte, ging sie fort in den Wald und wollte ihren Bruder suchen.
Als sie nun lange Wege gegangen
war, konnte sie vor Müdigkeit nicht weiter, und wie sie sich umsah, da stand
ein Löwe neben ihr, der tat ganz freundlich und sah so gut aus. Da setzte sie
sich auf seinen Rücken, und der Löwe trug sie fort und streichelte sie immer
mit seinem Schwanze und kühlte ihr die Backen. Als er nun ein gut Stück fortgelaufen
war, kamen sie vor eine Höhle, da trug sie der Löwe hinein, und sie fürchtete
sich nicht und wollte auch nicht herab springen, weil der Löwe so freundlich
war.
Also ging's durch die Höhle, die immer dunkler war und endlich ganz
stockfinster, und als das ein Weilchen gedauert hatte, kamen sie wieder an das
Tagslicht in einen wunderschönen Garten. Da war alles so frisch und glänzte in
der Sonne, und mittendrin stand ein prächtiger Palast. Wie sie ans Tor kamen,
hielt der Löwe, und die Prinzessin stieg von seinem Rücken herunter. Da fing
der Löwe an zu sprechen und sagte: "In dem schönen Haus sollst du wohnen
und mir dienen, und wenn du alles erfüllst, was ich fordere, so wirst du deinen
Bruder wieder sehen."
Da diente die Prinzessin dem Löwen und gehorchte ihm in allen Stücken.
Einmal ging sie in dem Garten spazieren, darin war es so schön, und doch war
sie traurig, weil sie so allein und von aller Welt verlassen war. Wie sie so
auf und ab ging, ward sie einen Teich gewahr, und auf der Mitte des Teichs war
eine kleine Insel mit einem Zelt.
Da sah sie, dass unter dem Zelt ein grasgrüner Laubfrosch saß, und
hatte ein Rosenblatt auf dem Kopf statt einer Haube. Der Frosch guckte sie an
und sprach: "Warum bist du so traurig?" "Ach", sagte sie,
"warum sollte ich nicht traurig sein?" Und klagte ihm da recht ihre
Not. Da sprach der Frosch ganz freundlich: "Wenn du was brauchst, so komm
nur zu mir, so will ich dir mit Rat und Tat zur Hand gehen." "Wie
soll ich dir das aber vergelten?" "Du brauchst mir nichts zu
vergelten", sprach der Quakfrosch, "bring mir nur alle Tage ein
frisches Rosenblatt zur Haube."
Da ging nun die Prinzessin
wieder zurück und war ein bisschen getröstet, und sooft der Löwe etwas
verlangte, lief sie zum Teich, da sprang der Frosch herüber und hinüber und
hatte ihr bald herbeigeschafft, was sie brauchte. Auf eine Zeit sagte der Löwe:
"Heut Abend äße ich gern eine Mückenpastete, sie muss aber gut zubereitet
sein."
Da dachte die Prinzessin, wie
soll ich die herbeischaffen, das ist mir ganz unmöglich, lief hinaus und klagte
es ihrem Frosch. Der Frosch aber sprach:
"Mach dir keine Sorgen,
eine Mückenpastete will ich schon herbeischaffen." Darauf setzte er sich
hin, sperrte rechts und links das Maul auf, schnappte zu und fing Mücken,
soviel er brauchte.
Darauf hüpfte er hin und her, trug Holzspäne zusammen und
blies ein Feuer an. Wie's brannte, knetete er die Pastete und setzte sie über
Kohlen, und es währte keine zwei Stunden, so war sie fertig und so gut, als
einer nur wünschen konnte.
Da sprach er zu dem Mädchen: "Die Pastete kriegst du aber nicht
eher, als bis du mir versprichst, dem Löwen, sobald er eingeschlafen ist, den
Kopf abzuschlagen mit einem Schwert, das hinter seinem Lager verborgen
ist." "Nein", sagte sie, "das tue ich nicht, der Löwe ist
doch immer gut gegen mich gewesen."
Da sprach der Frosch: "Wenn du das nicht tust, wirst du nimmermehr
deinen Bruder wieder sehen, und dem Löwen selber tust du auch kein Leid damit
an." Da fasste sie Mut, nahm die Pastete und brachte sie dem Löwen.
"Die sieht ja recht gut aus", sagte der Löwe, schnupperte daran und
fing gleich an zu beißen, aß sie auch ganz auf. Wie er nun fertig war, fühlte
er eine Müdigkeit und wollte ein wenig schlafen; also sprach er zur Prinzessin:
"Komm und setz dich neben mich und kraule mir ein bisschen hinter den
Ohren, bis ich eingeschlafen bin."
Da setzt sie sich neben ihn, kraulte ihn mit der Linken und sucht mit
der Rechten nach dem Schwert, welches hinter seinem Bette liegt. Wie er nun
eingeschlafen ist, so zieht sie es hervor, drückt die Augen zu und haut mit
einem Streich dem Löwen den Kopf ab. Wie sie aber wieder hinblickt, da war der
Löwe verschwunden, und ihr lieber Bruder stand neben ihr, der küsste sie
herzlich und sprach:
"Du hast mich erlöst, denn ich war der Löwe und war verwünscht, es
so lang zu bleiben, bis eine Mädchenhand aus Liebe zu mir dem Löwen den Kopf
abhauen würde." Darauf gingen sie miteinander in den Garten und wollten
dem Frosch danken, wie sie aber ankamen, sahen sie, wie er nach allen Seiten
herumhüpfte und kleine Späne suchte und ein Feuer anmachte. Als es nun recht
hell brannte, hüpfte er selber hinein, und da brennt's noch ein bisschen, und
dann geht das Feuer aus und steht ein schönes Mädchen da, das war auch
verwünscht worden und die Liebste des Prinzen. Da ziehen sie miteinander heim
zu dem alten König und der Frau Königin, und wird eine große Hochzeit gehalten,
und wer dabei gewesen, der ist nicht hungrig nach Haus gegangen.
Märchen der Brüder Grimm
wird fortgesetzt
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen