Machwerk
R.W. Aristoquakes
Teil 31 - 129
-
Im Elysium -
Latona mit dichterischer Ader,
Trug dem erlauchten Kader
Stolz und dennoch mit Humor,
Ihr eignes Werk vom Fröschlein vor:
Vom Fröschlein
"Fröschlein, Fröschlein, dort im Teich,
Im Quaken tut's dir niemand gleich.
Du machst den lieben, langen Tag
Nur immer lustig quak, quak, quak."
***
"Zugegeben", sprach sie dann
Als Hebe rümpfte ihre Nase
Und fügte die Geschichte an
Von zwei Fröschen an der Straße.
Zwei Frösche an der Straße
- Timo Bader -
Am Straßenrand hockte ein alter, dunkelgrüner Frosch
im Schatten eines breiten Grashalms. Völlig regungslos - wie eine Statue - saß
er auf dem schmalen, weißen Seitenstreifen und bewegte sich keinen Millimeter.
Man hätte meinen können, er wäre aus Stein gemeißelt…Hinter ihm sprang ein
zweiter Frosch den geschwungenen Weg vom Teich zur Straße hinauf und pfiff dabei vergnügt vor sich hin. Er war jung und frisch - ein Prachtexemplar.
Schlank und trotzdem kräftig.
Die Sonnenstrahlen fielen auf seinen perfekt definierten Körper und wurden von
der giftgrünen Haut reflektiert. Ein atemberaubendes Licht- und Farbenspiel
entstand und das Ausnahmereptil glich einem faustgroßen Smaragd.
"Was machst du hier, alter Geselle?" fragte der junge Frosch neugierig.
"Wieso verharrst du auf der Stelle? Weißt du denn nicht, dass Stillstand
Tod bedeutet?"
Der alte Frosch antwortete nicht. Er beachtete den
Neuankömmling nicht einmal. Sein Blick war starr geradeaus gerichtet und er
schien auf irgendetwas konzentriert zu sein.
"Ich verstehe, du willst wohl alleine
sein", schlussfolgerte der junge Frosch weltklug.
"Ihr alten Leute
liebt die Einsamkeit und die Stille. Das wäre nichts für mich. Ich bin lieber
unter anderen Fröschen und vergnüge mich. Jetzt lockt mich auch schon ein neues
Abenteuer. Viel zu lange habe ich hier mit dir gestanden. Ich muss weiter. Ich bin auf dem Weg zur anderen Straßenseite."
Er wollte sich gerade in Bewegung setzen, da erwachte der alte Frosch endlich
aus seiner Bewegungslosigkeit. Träge drehte der Greis den Kopf herum, der viel
zu groß für seinen ausgemergelten Körper zu sein schien.
Er hatte das Leben in vollen Zügen genossen und
folgte nun nicht mehr der Hetze der Zeit. Er war weise und genügsam geworden
und hatte seinen inneren Frieden gefunden. Wortlos musterte er den Neuankömmling
mit dem leicht desinteressierten Blick seiner großen, trüben Augen.
"Du bist jung und stark", bemerkte der alte
Frosch anerkennend. "Doch dein jugendlicher Eifer macht dich verletzlich.
Du handelst unbedacht."
"Oh, ihr alten Frösche mit euren klugen
Bemerkungen!", rief der junge Frosch grinsend. "Ihr habt euer Leben
gelebt. Ihr habt schon alles gemacht. Ihr wisst auf jede Frage eine Antwort.
Für jedes Problem findet ihr eine Lösung."
Er verdrehte viel sagend die Augen. "Leider
sprecht ihr eine andere Sprache, wie wir jungen Frösche. Wir werden euch erst
verstehen, wenn wir einmal so alt sind wie ihr und dann seid ihr schon tot und wir können uns
nicht mehr mit euch unterhalten, um euch zu sagen, dass ihr Recht hattet, mit
dem, was ihr uns in unserer Jugend gelehrt habt."
Der junge Frosch war ein sehr vorlautes
Exemplar.
"Du solltest nicht auf die andere Straßenseite
gehen", sagte der alte Frosch.
Er versuchte sich sehr einfach auszudrücken, so dass der junge Frosch ihn auch
ja verstehen konnte.
"Oh, ich versehe schon", kicherte der junge Frosch. "Die uralte
Warnung: Wir Frösche dürfen nur am Teich leben. Die grosse, weite Welt ist zu
gefährlich für uns." Der junge Frosch seufzte theatralisch.
"Das habe ich alles schon gehört! Aber glaub mir, ich werde schon auf mich
Acht geben. Ich kann gut auf mich selbst aufpassen."
"Du solltest wirklich nicht auf die andere Straßenseite
gehen", wiederholte der alte Frosch seine Worte.
Innerlich hatte er schon lange resigniert. Obwohl der junge Frosch dem
Kaulquappenalter entwachsen war, war er uneinsichtig und dumm.
"Ihr alten Frösche wisst es auch immer
besser", behauptete der junge Frosch großspurig. "Ich bin jung. Ich
will nicht auf Verbote hören. Ich möchte frei sein. Was von der Welt sehen. Ihr
alten Frösche wisst es auch immer besser."
Damit hüpfte er mit bemerkenswert weiten Sprüngen
los, auf die der alte Frosch zugegebenermaßen etwas neidisch war. Als er noch
ein junger Hüpfer gewesen war, war er mindestens genauso weit gesprungen. Wenn
nicht sogar noch weiter…
Für seinen erbarmungswürdigen Leichtsinn beneidete er den jungen Frosch
allerdings überhaupt nicht.
Dieser hatte unterdessen den Mittelstreifen erreicht und die Begegnung mit dem
alten Frosch schon fast vergessen. Seine Augen waren begierig auf sein Ziel -
die gegenüberliegende Straßenseite - gerichtet. Er begann wieder fröhlich zu
pfeifen und…
…wurde von einem Auto überfahren.
Der alte Frosch wartete geduldig, bis der Wagen sich
weit genug entfernt hatte und blickte noch einmal zur Sicherheit die Strasse
hinauf und hinunter. Dann hüpfte er los und überquerte den schwarzen
Asphaltfluss eilig.
Als er an dem jungen Frosch vorbeikam, fiel sein
Blick auf den unförmigen, grünen Brocken, zudem der gewaltige Autoreifen den
Neuankömmling zerquetscht hatte. Die trainierten Muskeln des jungen Froschs
waren gerissen. Seine wundervolle Haut zerfetzt. Der alte Frosch
erreichte die gegenüberliegende Straßenseite unbeschadet und freute sich auf die
spannenden Abenteuer, die ihn in der unbekannten Fremde erwarten mochte.
Er war mit dem Alter nicht müder geworden…
… nur ein klein wenig weiser.
***
wird fortgesetzt
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