Samstag, 7. März 2015

Im Elysium


Machwerk R.W. Aristoquakes
Teil 31 - 129
- Im Elysium -

Latona mit dichterischer Ader,
Trug dem erlauchten Kader
Stolz und dennoch mit Humor,
Ihr eignes Werk vom Fröschlein vor:

Vom Fröschlein

"Fröschlein, Fröschlein, dort im Teich,
Im Quaken tut's dir niemand gleich.
Du machst den lieben, langen Tag
Nur immer lustig quak, quak, quak."



***

"Zugegeben", sprach sie dann
Als Hebe rümpfte ihre Nase
Und fügte die Geschichte an
Von zwei Fröschen an der Straße.


Zwei Frösche an der Straße
- Timo Bader -

Am Straßenrand hockte ein alter, dunkelgrüner Frosch im Schatten eines breiten Grashalms. Völlig regungslos - wie eine Statue - saß er auf dem schmalen, weißen Seitenstreifen und bewegte sich keinen Millimeter. Man hätte meinen können, er wäre aus Stein gemeißelt…Hinter ihm sprang ein zweiter Frosch den geschwungenen Weg vom Teich zur Straße hinauf und pfiff dabei vergnügt vor sich hin. Er war jung und frisch - ein Prachtexemplar. Schlank und trotzdem kräftig. 

Die Sonnenstrahlen fielen auf seinen perfekt definierten Körper und wurden von der giftgrünen Haut reflektiert. Ein atemberaubendes Licht- und Farbenspiel entstand und das Ausnahmereptil glich einem faustgroßen Smaragd.

"Was machst du hier, alter Geselle?" fragte der junge Frosch neugierig. "Wieso verharrst du auf der Stelle? Weißt du denn nicht, dass Stillstand Tod bedeutet?" 
Der alte Frosch antwortete nicht. Er beachtete den Neuankömmling nicht einmal. Sein Blick war starr geradeaus gerichtet und er schien auf irgendetwas konzentriert zu sein.  

"Ich verstehe, du willst wohl alleine sein", schlussfolgerte der junge Frosch weltklug. 

"Ihr alten Leute liebt die Einsamkeit und die Stille. Das wäre nichts für mich. Ich bin lieber unter anderen Fröschen und vergnüge mich. Jetzt lockt mich auch schon ein neues Abenteuer. Viel zu lange habe ich hier mit dir gestanden. Ich muss weiter. Ich bin auf dem Weg zur anderen Straßenseite."

Er wollte sich gerade in Bewegung setzen, da erwachte der alte Frosch endlich aus seiner Bewegungslosigkeit. Träge drehte der Greis den Kopf herum, der viel zu groß für seinen ausgemergelten Körper zu sein schien.  

Er hatte das Leben in vollen Zügen genossen und folgte nun nicht mehr der Hetze der Zeit. Er war weise und genügsam geworden und hatte seinen inneren Frieden gefunden. Wortlos musterte er den Neuankömmling mit dem leicht desinteressierten Blick seiner großen, trüben Augen. 

"Du bist jung und stark", bemerkte der alte Frosch anerkennend. "Doch dein jugendlicher Eifer macht dich verletzlich. Du handelst unbedacht."  

"Oh, ihr alten Frösche mit euren klugen Bemerkungen!", rief der junge Frosch grinsend. "Ihr habt euer Leben gelebt. Ihr habt schon alles gemacht. Ihr wisst auf jede Frage eine Antwort. Für jedes Problem findet ihr eine Lösung."  




Er verdrehte viel sagend die Augen.  "Leider sprecht ihr eine andere Sprache, wie wir jungen Frösche. Wir werden euch erst verstehen, wenn wir einmal so alt sind wie ihr und dann seid ihr schon tot und wir können uns nicht mehr mit euch unterhalten, um euch zu sagen, dass ihr Recht hattet, mit dem, was ihr uns in unserer Jugend gelehrt habt."  

Der junge Frosch war ein sehr vorlautes Exemplar.  

"Du solltest nicht auf die andere Straßenseite gehen", sagte der alte Frosch.  

Er versuchte sich sehr einfach auszudrücken, so dass der junge Frosch ihn auch ja verstehen konnte. 
 
"Oh, ich versehe schon", kicherte der junge Frosch. "Die uralte Warnung: Wir Frösche dürfen nur am Teich leben. Die grosse, weite Welt ist zu gefährlich für uns." Der junge Frosch seufzte theatralisch.
 
"Das habe ich alles schon gehört! Aber glaub mir, ich werde schon auf mich Acht geben. Ich kann gut auf mich selbst aufpassen."  

"Du solltest wirklich nicht auf die andere Straßenseite gehen", wiederholte der alte Frosch seine Worte. 

Innerlich hatte er schon lange resigniert. Obwohl der junge Frosch dem Kaulquappenalter entwachsen war, war er uneinsichtig und dumm.  

"Ihr alten Frösche wisst es auch immer besser", behauptete der junge Frosch großspurig. "Ich bin jung. Ich will nicht auf Verbote hören. Ich möchte frei sein. Was von der Welt sehen. Ihr alten Frösche wisst es auch immer besser."  

Damit hüpfte er mit bemerkenswert weiten Sprüngen los, auf die der alte Frosch zugegebenermaßen etwas neidisch war. Als er noch ein junger Hüpfer gewesen war, war er mindestens genauso weit gesprungen. Wenn nicht sogar noch weiter… 

Für seinen erbarmungswürdigen Leichtsinn beneidete er den jungen Frosch allerdings überhaupt nicht.

Dieser hatte unterdessen den Mittelstreifen erreicht und die Begegnung mit dem alten Frosch schon fast vergessen. Seine Augen waren begierig auf sein Ziel - die gegenüberliegende Straßenseite - gerichtet. Er begann wieder fröhlich zu pfeifen und… 

…wurde von einem Auto überfahren.  

Der alte Frosch wartete geduldig, bis der Wagen sich weit genug entfernt hatte und blickte noch einmal zur Sicherheit die Strasse hinauf und hinunter. Dann hüpfte er los und überquerte den schwarzen Asphaltfluss eilig.  

Als er an dem jungen Frosch vorbeikam, fiel sein Blick auf den unförmigen, grünen Brocken, zudem der gewaltige Autoreifen den Neuankömmling zerquetscht hatte. Die trainierten Muskeln des jungen Froschs waren gerissen. Seine wundervolle Haut zerfetzt.  Der alte Frosch erreichte die gegenüberliegende Straßenseite unbeschadet und freute sich auf die spannenden Abenteuer, die ihn in der unbekannten Fremde erwarten mochte.  

Er war mit dem Alter nicht müder geworden… 

… nur ein klein wenig weiser.


 siehe auch hier



***

wird fortgesetzt

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Zur Einstimmung

Bei dem hier unter dem Pseudonym R.W. Aristoquakes virtuell zur Veröffentlichung gebrachten, mehr als einhundertfünfzigtausend Doppelverszeilen umfassenden und mit über 15.000 Zeichnungen versehenen Epos handelt es sich um die umfangreichste Nacherzählung des Homer zugeschriebenen Kriegsberichtes, die jemals niedergeschrieben wurde und nach Auffassung des Autors, um das wichtigste literarische Werk der Neuzeit überhaupt.

Unter dem oben abgedruckten Titel veröffentlicht der noch unbekannte Schriftsteller an dieser Stelle in den nächsten fünf Jahren sein als Fortsetzungeerzählung entstandenes Mammutmachwerk über den antiken Tierkrieg und dessen Folgen für die Menschheit.

Das über zweitausend Jahre alte homerische Epillion, das im Original nur etwa 300 Verszeilen umfasst, wurde von R.W. A., der zehn Jahre lang daran gearbeitet hat, zu einem Mammutwerk aufgebläht, das die Batrachomyomachia mit der Ilias und der Bibel verbindet.

Diese Verknüpfung der drei wichtigsten Werke der abendländischen Literatur, die in etwa zur gleichen Zeit entstanden sind, dient dem Autor dazu, seine religionsgeschichtliche These zu untermauern, in der er den Frosch als Ursprungsgottheit darstellt und behauptet, dass die Götter der Neuzeit nichts anderes sind als die konsequente Weiterentwicklung der ägyptischen Froschgötter.