Machwerk R.W. Aristoquakes
Teil 10 - 191
Märchenerzähler
im Olymp
Als nächster im Elysium
Stieg Eteokles aufs Podium.
(Ilias 4/386; Sohn des Ödipus und der Epikaste)
"Ich mache jetzt was jeder muss"
Sprach der Sohn des Ödipus
Und dann erzählte mürrisch er
Vom verwunsch'nen Frosch die Mähr.
Es war
einmal ein Kaufmann; der hatte drei Töchter, seine Frau aber war beim lieben
Gott. Einst wollte er über das Weltmeer nach einem fremden Lande, um Gold und
andere kostbare Sachen zu holen, und er tröstete die weinenden Kinder und
sagte: "Ich bringe euch auch was Schönes mit! Was wünscht ihr euch?"
Die
älteste bat um ein seidenes Kleid: "Es muss aber von dreierlei Seide
sein."
Die zweite
wünschte sich einen Federhut: "Er muss aber dreierlei Federn haben."
Die
jüngste endlich sagte: "Mir bring eine Rose mit, lieber Vater; sie muss
aber frisch und von dreierlei Farbe sein."
Der
Kaufmann versprach es, küsste die Töchter und reiste weg.
Nachdem er
in dem fremden Lande angekommen war, bestellte er für seine älteste Tochter das
Kleid von dreierlei Seide, für die zweite den Hut mit dreierlei Federn, und
beides war bald fertig und von seltener Pracht. Nun sandte er auch Boten aus
durch dasselbige ganze Land, um für seine jüngste und liebste Tochter die
dreifarbige Rose zu suchen; doch alle kamen mit leerer Hand zurück, obgleich
der Kaufmann viel Gold ausgelobt hatte, und obgleich es dort mehr Rosen gab,
als Gänseblümchen bei uns.
Traurig
fuhr er wieder heim und war die ganze Reise missmutig. Da kam er diesseits des
Weltmeers an einem großen Garten vorbei, in dem gab es nichts als lauter Rosen
und Rosen. Er ging hinein und suchte, und siehe! auf einem schlanken Strauche
mitten im Garten saß die dreifarbige Rose. Voller Freude brach er sie und
wollte wieder zurück. Da aber war er fest gebannt, und eine Stimme hinter ihm rief:
"Was willst du in meinem Garten?"
Er sah
hin, und ein großer Frosch saß dort am Ufer eines klaren Teiches, stierte ihn
an mit seinen Glotzaugen und sagte: "Du hast meine liebe Rose gebrochen
und bist dafür dem Tode verfallen, es wäre denn, dass du mir deine jüngste
Tochter zur Frau gäbest."
Der
Kaufmann erschrak und bat und flehte. Es war aber alles vergebens, und so musste
er sich endlich entschließen, seine liebste Tochter dem hässlichen Frosch zu
verloben. Da waren seine Füße gelöst, und er wanderte frei aus dem Garten. Der
Frosch aber rief ihm noch nach: "In sieben Tagen hole ich meine
Gemahlin!"
Das war
ein Herzeleid, als der Kaufmann der jüngsten Tochter die frische Rose gab und
dabei den Vorfall erzählte! Und als der schreckliche Tag kam, kroch sie unter
ihr Bett, denn sie wollte und wollte nicht mit. Um die Mittagsstunde aber kam
ein stattlicher Wager vorgefahren; und der Frosch schickte seine Diener ins
Haus, die gingen stracks in die Kammer, holten die schreiende Jungfrau unter
dem Bett hervor und trugen sie in den Wagen. Die Rosse sprangen davon, und in
kurzer Zeit waren sie in dem blühenden Rosengarten. Mitten im Garten, dicht
hinter dem klaren Teiche, stand ein kleines Haus; die Braut wurde ins Haus
gebracht und auf ein weiches Bett gelegt, der Frosch aber sprang ins Wasser.
Als es
dunkel wurde, und die Jungfrau aus ihrer Ohnmacht erwachte, hörte sie, wie der
Frosch draußen im Teiche wundersüße Weisen sang; und je näher Mitternacht kam,
desto lieblicher sang er, und immer näher und näher kam es heran. Um
Mitternacht öffnete sich die Kammertür, und der Frosch hüpfte auf ihr Bett. Er
hatte aber ihr Herz gerührt mit seinen süßen Liedern, und sie nahm ihn mit ins
Bett und deckte ihn warm zu.
Und am
andern Morgen, als sie die Augen öffnete, siehe! da war der hässliche Frosch
der schönste Königssohn von der Welt; und er dankte ihr herzlich und sagte:
"Du hast mich erlöst und bist nun meine Gemahlin!"
Da haben
sie lange glücklich mit einander gelebt.
Carl und Theodor Colshorn: Märchen und Sagen.
Hannover 1854
wird fortgesetzt
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen