Machwerk R.W. Aristoquakes
Teil 10 - 143
Märchenerzähler im Olymp
Ob seiner schnöden Rede von zuvor
Verweigere das Heroenkorps
Deikoon den Beifall stur.
Der ging zu seinem Platz retour.
Was er gedacht sich hat dabei
War den andern einerlei.
Ihnen stand Deiochos der Achäer
(Ilias 15/341; Achäer, von Paris erlegt)
Allensamt, so schien es, näher.
Der stieg aufs Podium, husch husch
Und las vom alten Wilhelm Busch
`Ne Story vor aus der Provinz
Von einem lang verwunschnen Prinz.
Der verwunschene Prinz.
Es waren
einmal ein Mann und eine Frau, die hatten nur eine einzige Tochter. Nun begab
es sich aber, dass die Frau krank wurde, und weil es von Tage zu Tage schlimmer
mit ihr ward und sie endlich fühlte, dass ihre Sterbestunde gekommen war, rief
sie ihr Kind zu sich ans Bett und gab ihm einen Ring von ihrem Finger und
sprach: »Den trage zu meinem Andenken und heb ihn wohl auf.« Darnach
legte sie sich und starb; und noch war kein Jahr seitdem vergangen, da nahm
sich der Mann eine andere Frau. Sie war aber gar nicht gut gegen das Kind; das
Mädchen durfte nie mit in die Stube kommen, sondern musste immer auf der Diele
beim Herde sitzen, und als einmal die Stiefmutter den schönen goldenen Ring an
ihrem Finger sah, fing sie an zu schelten und bedrohte das Mädchen. »Ich sollte
dir den teuren Ring eigentlich wegnehmen«, sagte sie; »aber das sage ich
dir, verlierst du ihn, so prügele ich dich, dass du schwarz wirst.« Nun
musste das arme Mädchen alle Tage Wasser schleppen, und als sie auch einmal
wieder die Brunnenstange anfasste, um den schweren Eimer in die Höhe zu ziehen,
glitt ihr der Ring vom Finger und fiel in den tiefen Brunnen hinein. Darüber
fing sie bitterlich zu weinen an. Mit dem, so kam ein Laubfröschlein im Grase
dahergehüpft, fing an zu sprechen und fragte: »Was fehlt dir denn, du
wackres Mädchen, dass du so bitterlich
weinen
tust? Das sage mir, so will ich sehen, ob ich dir helfen kann.« »Ach
Fröschlein!« sprach das Mädchen, »du kannst mir doch nicht helfen.
Ich habe meiner Mutter ihren goldenen Ring in den Brunnen fallen lassen, und
wenn das meine Stiefmutter erfährt, so werde ich gewiss Schläge
kriegen.« »Sei nur still und lass dein Weinen sein,« sprach das
Fröschlein; »wenn ich diese Nacht bei dir in deinem Bettlein schlafen
soll, so will ich dir den Ring wohl wieder holen.« »Ach ja liebes
Fröschlein,« sprach das Mädchen, »ich will ja gerne alles tun was du
verlangst, wenn ich nur mein goldenes Ringlein wieder kriege!« Sprach das
Fröschlein: »So setze mich in den Wassereimer und lass mich in den Brunnen
hinab, dass ich dir dein goldenes Ringlein wieder hole.« Da setzte das
Mädchen den Laubfrosch in den Eimer und ließ ihn in den Brunnen hinab, da
tauchte er unter und kam bald wieder angeschwommen mit dem Ringlein in seinem
Maule. Das Mädchen zog ihn wieder herauf, nahm den Ring steckt’ ihn voller
Freuden an ihren Finger und ging ins Haus und dachte nicht mehr an das
Laubfröschlein und was es ihm hatte versprechen müssen. Des Abends aber, da das
Mädchen wieder wie immer auf der Hausflur beim Herde saß und spann, klopfte mit
einmal was an die Seitentüre und rief: »Wackres Mädchen, wackres Mädchen!
was du versprochen hast, musst du auch halten; setze mich in dein
Haus.« Das Mädchen machte die Türe auf und erschrak ordentlich, denn davor
saß das Laubfröschlein. Erst wollte das Mädchen die Türe wieder zuschlagen;
weil es aber an sein Versprechen dachte, und dass ihm der Frosch wieder zu
seinem Ringe verholfen hatte, setzte es ihn in ihr Haus herein. Der Frosch
hüpfte nun mit an den Herd und sah zu wie das Mädchen spann. Nachdem, da es
Zeit war, schlafen zu [gehen,
ging das Mädchen in ihre Kammer, zog die Tür hinter sich zu und ließ das
Fröschlein draußen sitzen. Da klopfte es an die Kammertür und
rief: »Wackres Mädchen, wackres Mädchen! Was du versprochen hast, musst du
auch halten! Setz’ mich in deine Kammer.« Das Mädchen hätte lieber das
Fröschlein draußen gelassen, aber es dachte daran, was es ihm am Brunnen
versprochen hatte, nahm es und setzte es in seine Kammer. Nun zog das Mädchen
sein Nachtzeug an, löschte das Licht und legte sich zu Bett und meinte, das
Fröschlein würde nun wohl zufrieden sein. Aber nein! es wollte auch bei dem
Mädchen im Bette schlafen und rief: »Wackres Mädchen, wackres Mädchen! Was
du versprochen hast, musst du auch halten! Setz’ mich in dein Bett.« Da
nahm das Mädchen das Fröschlein auch noch zu sich ins Bett und
sprach: »So! Nun sei aber auch hübsch still, sonst muss ich dich wieder
hinaussetzen.« Bald darnach, weil das Fröschlein ganz stille war, schlief
das Mädchen ein. Den andern Morgen aber, als es aufwachte und sich nach dem
Fröschlein umsah, war kein Fröschlein mehr da, sondern es lag da ein
wunderhübscher junger Prinz im Bette, der lachte das Mädchen freundlich an,
küsste es und sprach: »Ich danke dir, dass du mich erlöst hast. Mein Großvater
hatte mich in einen Laubfrosch verwünscht, und nicht eher konnte ich wieder
eine menschliche Gestalt annehmen, bis mich ein Mädchen freiwillig mit in sein
Bett nahm.«
Noch
denselben Tag zog nun der Prinz mit dem Mädchen fort in sein Königreich und nahm
sie zu seiner Frau und sie hatte es gut bei ihm bis an ihr Ende.
Quelle: Wilhelm Busch "Aus alter Zeit"
Stuttgart 1982
wird fortgesetzt
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