Machwerk
R.W. Aristoquakes
Teil 10 - 493
Märchenerzähler im Olymp
Als nächster Heros Thàlpios
(Ilias 2/620, Führer der Epeier)
Zum Erzählen sich entschloss.
Der Epeier trug dem Seelenkorps
Von einem Frosche etwas vor;
Der hatte einen dicken Kropf
Und einen Edelstein im Kopf
Der Frosch mit dem Edelstein im Kopf
Gräfin Valeska Bethusy-Huc
Mitten im Walde lag
eine Wiese, und inmitten der Wiese war ein Sumpf mit braunen Wasserlachen und
alten Weidenknorren am Rande. Das war das Reich des Froschkönigs. In den
Maiennächten, wenn der Mond wie eine rote Kugel über dem Walde aufstieg, hatten
die Frösche großes Konzert. Der Jägerlehrling, der vorüberging, sagte: »Das ist
ja ein schreckliches Gequake!« Er verstand es eben nicht besser. Der
Froschkönig wusste, dass seine Untertanen sehr gute Sänger waren, und dass er
sogar einige Künstler ersten Ranges darunter hatte.
Darum saß
er auch jeden Abend mit der Königin und dem Kronprinzen auf dem größten
Weidenknorren und hörte den Gesängen der Frösche zu. Und dabei sahen er und die
Königin immer abwechselnd den Kronprinzen an; denn sie warteten darauf, dass er
etwas sagen und seine Meinung äußern würde. Ein paar mal machte er auch sein
großes Maul, das seine Mutter wunderschön fand, weit auf – aber er sagte nicht
einmal: »Quak!« – er gähnte ganz einfach. Und plötzlich machte er einen Satz
und sprang ins Wasser.
»Er ist so
originell,« sagte die Froschkönigin, »er ist anders als alle anderen Frösche,
er ist durch und durch bedeutend.«
»Ja,«
erwiderte der Froschkönig, »und ich denke auch daran, ihn noch bei meinen
Lebzeiten zu meinem Nachfolger zu machen; denn ich bin alt, und das Regieren
macht mir keinen Spaß mehr.«
»Das ist
ein guter Gedanke!« rief die Königin. »Alle Frösche auf der Welt werden dich
dafür preisen; denn je jünger ein so bedeutender Frosch, wie unser Sohn, zur
Regierung kommt, um so besser wird es für unser Reich und darum auch für die
ganze Welt sein; einen König, der einen Edelstein im Kopf hat, den hat es noch
nicht gegeben.«
Der alte
Froschkönig seufzte.
»Ja, ich
habe keinen Edelstein im Kopf; denn es passiert nur alle 500 Jahre einmal, dass
ein Frosch einen Edelstein im Kopf trägt – und da mein Sohn ihn hat, konnte ich
ihn nicht haben. Das ist klar!«
Eigentlich
hätte er seine Frau gern gefragt, woher sie es denn wisse, dass der Prinz den
Edelstein hatte, aber es kam ihm immer vor, als ob er sich mit dieser Frage
etwas vergeben würde und deshalb unterließ er sie. Schon als der Froschprinz
noch eine Kaulquappe war, hatte seine Mutter gesagt, dass er den Edelstein
hätte, denn es waren gerade 500 Jahre her, dass der letzte Frosch mit einem
Edelstein im Kopf gelebt hatte. Und dann hatten es die Ministerfrauen erfahren,
die Minister waren zur feierlichen Gratulationscour gekommen, und der König
hatte ein Volksfest gegeben, beim dem es allen Fröschen im ganzen Reich
verkündet wurde: »Der Kronprinz hat einen Edelstein im Kopfe!« Und nun wussten
es alle, und als der Prinz aufhörte, eine Kaulquappe zu sein, erfuhr er es
auch. Er trug den Kopf so hoch, wie ein Frosch den Kopf nur tragen kann; es ist
auch keine Kleinigkeit, wenn man das Bewusstsein hat, etwas zu besitzen, dass
nur alle 500 Jahre einmal verliehen wird. Aber trotzdem langweilte der Prinz
sich oft ganz abscheulich, und dagegen kannte er nur ein Mittel; er besuchte
den kleinen grünen Frosch, der auf der anderen Seite des Sumpfes wohnte und der
sein Jugendgespiele war. Als er so unversehens in das Wasser gesprungen war,
hatte er gerade wieder Sehnsucht nach dem kleinen grünen Frosch bekommen, und
da er sich niemals irgend einen Zwang antat, so war er zu ihm geschwommen. Der
grüne Frosch war aber nicht zu Hause, der Prinz musste warten, und seine Laune
wurde dadurch noch schlechter, als sie ohnedem war.
Endlich
kam der grüne Frosch.
»Wo
treibst du dich herum?« schrie der Prinz ihn an, »ich komme beinahe um vor
Langeweile und du hüpfst spazieren!«
»Wenn du
dich langweilst, solltest du einmal mit mir ein Stückchen in die weite Welt
hinaus wandern«; sagte der grüne Frosch. »Da gibt es allerlei zu sehen und zu
hören – –
»Unsinn,«
quakte der Prinz, »die weite Welt ist nur der Rahmen für unseren Sumpf, und ich
kann meine Zeit nicht damit verlieren, dass ich mich mit etwas so
Nebensächlichem wie deine ›weite Welt‹ befasse.«
»O,«
meinte der grüne Frosch, »ich habe schon manchmal gedacht, dass unsere
Gefährten sich irren. Vielleicht ist unser Sumpf gar nicht der Mittelpunkt der
Welt und alles andere nur ›Rahmen‹ dafür.«
Gewöhnlich
unterhielt es den Prinzen, wenn der grüne Frosch solche Absonderlichkeiten
redete, aber heute stand ihm die Laune nicht danach.
»Schweig
still,« schrie er, »du redest puren Hochverrat, und ich müsste dich eigentlich
wegen gemeingefährlicher Gedanken anzeigen. Aber ich will dir noch einmal
gnädig verzeihen, wenn du versprichst, solche verbotenen Gedanken nie wieder zu
haben. Wir und unser Sumpf, wir sind der Mittelpunkt der Welt – basta! Und dann
habe ich noch einen anderen Grund zur Unzufriedenheit: dir leuchten die Augen
so, dass es grässlich anzusehen ist. Das musst du dir abgewöhnen.«
Der grüne
Frosch verneigte sich höflich, um anzudeuten, dass er sein Möglichstes tun
würde, und der Prinz fuhr unzufrieden fort: »Ja, du musst dir das entschieden
abgewöhnen, denn neulich hat die jüngste Ministerfrau gesagt, deine Augen seien
so merkwürdig, dass man glauben könnte, du hättest auch einen Edelstein im
Kopf, der durch deine Augen hervorleuchtete. Das muss ich mir aber sehr
ernstlich verbitten, denn den Edelstein habe ich, wie du weißt, und er kommt
nur einmal alle 500 Jahre vor!«
»Es tut
mir leid, dass ich deine Unzufriedenheit erregt habe,« sagte der grüne Frosch,
»aber die jüngste Ministerfrau spricht manchmal mehr, als sie verantworten
kann. Wenn meine Augen heut zu glänzend waren, so kommt es wohl daher, dass ich
eine große Freude gehabt habe!«
»Was?«
quakte der Prinz, »und das sagst du mir erst jetzt? Ich langweile mich zum
Sterben, und du erlebst eine Freude und erzählst sie mir nicht einmal?«
»Du
wolltest von der weiten Welt nichts hören, und die Freude hatte ich doch da
draußen!«
»Nun
erzähle endlich, was hast du erlebt?«
Und der
grüne Frosch erzählte:
»Auf der
anderen Seite des Waldes stehen Büsche von wilden Rosen mit vielen lichten rosa
Blüten. Dort wohnt eine Prinzessin, die ist nicht viel größer als wir und trägt
ein einfaches, braunes Kleid. Aber sie hat Flügel, sie fliegt von einem
Rosenbusch zum anderen und hoch hinauf, wohl bald bis in den Himmel. Das
schönste aber an ihr ist, dass sie singen kann« –
»Das kann
ich auch, wenn ich will«, rief der Froschprinz, aber der grüne Frosch erzählte
weiter:
»Sie singt
so wundersam, wie ich es nie vorher gehört habe. Das Herz wird einem weit und
froh dabei. Und als sie aufhörte, da habe ich sie gebeten: ›Singe noch einmal!‹
Da hat sie mir zugenickt und hat weiter gesungen. Ja, das hat sie getan, und
das hat mich glücklich gemacht, denn das zweite Mal hat sie nur für mich
gesungen!«
Dem
Prinzen tat es nun eigentlich leid, dass er gesagt hatte, er wolle nicht in die
weite Welt hinaus; da es nun einmal geschehen war, sagte er:
»Du bist
ein Schwärmer, und das Singen wird wohl nicht schöner gewesen sein, als wir es
hier alle Tage hören können. Was aber das Fliegen der Prinzessin betrifft, so
lege ich darauf gar keinen Wert. Was nützen einem Flügel? Ein paar ordentliche
Schwimmhäute sind mir da schon lieber. Und nun will ich zurück zu meinen
Eltern, das Unken-Solo hat schon angefangen, da ist das Konzert bald zu Ende,
und mein Vater hat gesagt, dass er mich noch in einer wichtigen Angelegenheit
sprechen wollte, ja, unser einer hat immer irgend etwas Wichtiges vor!«
Damit
sprang der Froschprinz wieder ins Wasser, denn er fand, dass der grüne Frosch
heut nicht so amüsant war wie sonst, und dass der ganze Besuch sich nicht
verlohnt hatte.
Als er bei
seinen Eltern ankam, war das Konzert gerade zu Ende, und König und Königin
zogen sich in ihr Privatsumpfloch zurück.
»Du kannst
uns begleiten,« sagte der König zu seinem Sohne, »ich habe noch mit dir zu
sprechen.«
Und da
sagte er ihm, dass der Prinz fortan König sein und regieren solle, während das
alte Königspaar in ein Auszugs-Sumpfloch, das schon lange für diesen Zweck
hergerichtet worden war, übersiedeln wollte.
»Ich hab
einen Edelstein im Kopf, folglich ist es auch ganz natürlich und
selbstverständlich, dass ich schon bei Lebzeiten meines Vaters König werde, ja,
eigentlich ist mein Vater auch geradezu verpflichtet, mir die Regierung zu
übergeben.« So dachte der Prinz, und darum bedankte er sich auch nicht erst
lange, sondern sagte: »Ja, es ist gut« – und damit war es gut.
»Er macht
eben alles anders als andere Frösche, er ist sehr bedeutend und sehr
originell«, bemerkte seine Mutter, und der alte König sagte gar nichts und
kroch in sein Sumpfloch.
Der Prinz
aber stieg auf die äußerste Spitze des Weidenknorrens, unter dem er wohnte, sah
über den Sumpf hin und dachte:
»Jetzt ist
das mein Reich, der Himmel mit den Sternen und der Wald mit den Bäumen, das ist
alles nur meine Umgebung. Ja, jetzt bin ich der Mittelpunkt der Welt, und jetzt
muss ich etwas sehr Bedeutendes tun.«
Aber so
große Lust er auch dazu hatte – es wollte ihm nichts einfallen.
Plötzlich
dachte er daran, dass ein König doch zuallererst eine Königin haben müsste. Der
Gedanke gefiel ihm so gut, dass er einen Sprung von dem Weidenknorren bis in
das Wasser machte. Da die Frösche aber ohnehin kaltes Blut haben, kühlte ihn
das gar nicht ab, und ebenso aufgeregt, wie er von dem Weidenknorren hinab gesprungen
war, kroch er wieder hinauf.
»Ja, eine
Königin muss ich haben, eine Königin muss ich ganz gewiss haben«, sagte er sich
immer wieder.
Er dachte
an alle Froschfräulein, die er kannte, ja er dachte sogar an die
Ministerfrauen, denn für einen König gab es keine Hindernisse. Aber sie kamen
ihm alle so alltäglich vor, es war so gar nichts Besonderes dabei, wenn er eine
von ihnen heiratete. Und er war doch etwas Besonderes – er hatte einen
Edelstein im Kopfe und hätte von Rechts wegen von seiner künftigen Frau etwas
Ähnliches verlangen können. Und da es unter den Fröschen so etwas nicht gab,
fiel ihm plötzlich die fliegende Prinzessin ein, die so schön singen sollte. Am
Ende hatte die gar einen Edelstein in der Kehle. Das Herz schlug dem Prinzen so
stark, dass man es durch seinen braunen Leib hätte sehen können, wenn einer da gewesen
wäre, um das zu beobachten. Er war aber ganz allein da, und auf das Herz legte
er keinen Wert, er dachte nur:
»Nein, wie
bin ich klug, und was habe ich für großartige Gedanken! Auf so etwas wäre kein
anderer verfallen als ich, und nun weiß ich auch, dass das ganz gewiss das
richtige für mich ist – ich muss die Prinzessin mit den Flügeln haben.
Er schwamm
gleich hinüber zu seinem Freunde, dem grünen Frosch, um es ihm zu sagen. Aber
der war wieder nicht zu Hause. Da ärgerte der Prinz sich so sehr, daß er ganz
müde davon wurde und einschlief. Beim ersten Morgengrauen weckte ihn der grüne
Frosch.
»Was sehe
ich, mein Prinz,« rief er, »du bist hier zu dieser Stunde und wartest auf
mich?«
Der Prinz
ermunterte sich schnell.
»Du
hoffnungsloser Herumtreiber,« schrie er, »ich werde dich anbinden lassen, damit
du nicht immer davonläufst, denn von heut ab übernehme ich die Regierung und
kann tun, was ich will!«
»Verzeihe
nur,« bat der grüne Frosch, »ich war wieder bei den Rosenbüschen und habe der
Prinzessin zugehört, denn des Nachts singt sie am schönsten.«
Als der
Prinz das hörte, vergaß er seinen Zorn.
»Wegen der
Prinzessin bin ich eben zu dir gekommen,« sagte er, »du mußt mich zu ihr
führen, so schnell wie möglich.« »Das geht jetzt nicht, denn jetzt schläft
sie,« sagte der grüne Frosch, »aber nach Sonnenaufgang« –
»Nach
Sonnenaufgang habe ich keine Zeit, da will der König mir seine Krone aufsetzen
– ja, du kannst mich von nun an schon Majestät nennen und hast dich genau nach
meinen Befehlen zu richten, denn was ein König befiehlt, das muss unter allen
Umständen geschehen.«
Der grüne
Frosch verneigte sich wieder sehr tief und sagte:
»Ich will
der erste sein, der Eurer Majestät huldigt, aber den Schlaf der Prinzessin
dürfen wir doch nicht stören.«
In diesem
Augenblick tönte Unkenruf über den Sumpf hin, und ein rotgoldener Schein
flammte über dem Walde auf.
»Na, da
haben wir's,« rief der Prinz, »die Unken läuten schon zur Krönung, nun habe ich
keine Zeit mehr für meine Privatangelegenheiten, aber ich werde das gründlich
nachholen!«
Damit
ruderte er davon, dem Weidenknorren zu, der als Königsschloss eingerichtet war,
und auf dem schon das alte Königspaar saß, das heut zum letzten Male Kronen auf
den Köpfen trug, und zu dem die Frösche nun von allen Seiten herbeieilten,
während die Unken sich so anstrengten, dass es wie feierliches Glockenläuten
über den Sumpf hin tönte.
Mit großer
Pracht und Feierlichkeit wurde der Prinz nun von dem Könige gekrönt, und die
Königin war die erste, die laut rief:
»Hoch lebe
König Beckerax der Erste!«
Da schrieen
alle Frösche, was sie konnten, und der junge König verneigte sich huldvoll nach
allen Seiten hin und sagte:
»Meine
lieben Untertanen, ich ergreife die Zügel der Regierung mit großem Vergnügen,
denn ich habe, wie ihr ja wisst, einen Edelstein im Kopfe, und alles andere
wird sich finden!«
Da schrieen
alle Frösche wieder: »Hoch, hoch, hoch«, und die schönsten Froschfräulein
bekränzten den Thron mit gelben Ringelblumen und blauen Vergissmeinnicht. Das
alte Königspaar weinte einige Tränen und umarmte den Sohn, und dann führte der
junge König seine Mutter zur Krönungstafel, und der alte König setzte sich auf
seine andere Seite und ließ es sich schmecken. Die Pagen servierten
Fliegenbraten à la Montmorency, Mückenpasteten à la reine, und die Unken
läuteten wieder, was sie konnten.
Der ganze
Tag verging mit Essen, Redenhalten, Tanzen und wieder Essen, und erst am Abend
konnte der junge König den grünen Frosch zu sich rufen lassen.
»Ich
ernenne dich zu meinem Kammerherrn,« sagte der König zu ihm, »und nun wollen
wir uns gleich auf die Reise machen und die Prinzessin besehen. Aber wir reisen
ganz inkognito, und ich verpflichte dich zu größter Verschwiegenheit.«
Der grüne
Frosch bedankte sich für den Kammerherrn und versprach die Verschwiegenheit,
aber es war ihm dabei nicht gut zumute, denn er betrachtete die Prinzessin wie
eine Art Heilige, und es kam ihm wie eine Entweihung vor, dass er seinen alten
Spielkameraden zu ihr bringen sollte, der zwar nun sein König geworden war, den
er aber doch seiner angebeteten Prinzessin nicht ebenbürtig fand. Doch er
hütete sich wohl, das zu sagen, und der König ließ auch nichts von seinen
weiteren Plänen verlauten. Und so machten sie sich zusammen auf den Weg in die
weite Welt.
»Ich habe
nicht geglaubt, dass die Welt so groß und der Wald so lang ist«, sagte der
König, als sie ein Stück gewandert waren.
»Ja, man
muss Geduld haben, wenn man in die weite Welt zieht«, meinte der grüne Frosch.
»Ich weiß
aber nicht, wozu mein Königreich so eine breite Einfassung braucht,« sagte der
König, »halb so breit wäre auch genug.«
»Ja, man
wird recht bescheiden, wenn man in die weite Welt zieht«, erwiderte der grüne Frosch;
»denn man merkt bald, dass man so vieles nicht weiß – natürlich spreche ich
bloß von meinen eigenen Erfahrungen, Eure Majestät mag das ganz anders
erscheinen.«
»Ach, lass
die Majestät jetzt weg,« rief der König, der sich in dem fremden Walde
fürchtete, »wir reisen doch hier als Kameraden.«
Je weiter
aber der Weg war, um so freundlicher wurde der König, denn um so mehr fürchtete
er sich. Plötzlich blieb der grüne Frosch stehen. »Horch,« rief er, »horch!«
Da hörte
der König einen süßen, seltsamen Klang, wie er ähnliches nie vernommen hatte.
Und das klang nicht von unten herauf wie der Gesang der Frösche, sondern es kam
von oben herab, als fielen die Töne vom Himmel.
»Das ist
sie«, flüsterte der grüne Frosch.
Vor ihnen
lichtete sich der Wald. Es schimmerte weiß und hell zwischen den Bäumen.
»Was ist
das?« fragte der König. »Ist dort die Welt zu Ende?«
»Nein dort
stehen große Bäume, die sind ganz voll weißer Blüten, und der Mond scheint
darauf, da ist's, als leuchteten sie.«
Der König
machte seine Augen noch runder, als sie ohnehin waren; sie sprangen ihm
förmlich aus dem Kopf heraus vor Bewunderung über die seltsamen Dinge, die er
da zu hören und zu sehen bekam.
»Dort sind
die Rosenbüsche, und darin wohnt die Prinzessin!« sagte der grüne Frosch.
Da
verstummte der Gesang, und ein liebliches Stimmchen rief aus den Zweigen herab:
»Bist du da, kleiner Grüner? Heut will ich dir etwas besonders Schönes
vorsingen.«
»Du musst
mich ihr vorstellen,« flüsterte der König, der wusste was sich schickte, »sage
aber zunächst bloß, dass du einen Freund mitgebracht hast.«
Das tat
der grüne Frosch, und da kam die Prinzessin Nachtigall ganz dicht heran geflogen,
setzte sich auf einen blühenden Rosenzweig über den beiden Fröschen und sah sie
mit klaren Augen an.
»Dein
Freund ist aber nicht grün wie du, der ist ja fast so braun wie ich«,
zwitscherte sie.
»Ja,« rief
nun der König, der diese Bemerkung für eine besondere Liebenswürdigkeit hielt,
»ich bin so braun wie Sie, und wir haben wahrscheinlich noch andere
Ähnlichkeiten! Ich habe nämlich einen Edelstein im Kopf, und nachdem ich Sie
singen gehört habe, bin ich überzeugt, Sie haben einen in der Kehle.«
Da lachte
die Nachtigall, dass der Rosenzweig schwankte.
»Nein,
nein, wenn ich etwas in der Kehle hätte, da könnte ich überhaupt nicht singen.
Ich singe nur, weil mein Herz voll Freude ist und voll Liebe.«
»Ja,«
schrie der König, »gerade so geht es mir auch, und ich bin König Beckerax vom
Froschsumpf und bin nur bis an das Ende der Welt gekommen, um Sie zu hören und
zu sehen. Denn wir beide gehören zusammen, und ich will Sie zu meiner Königin
machen!«
Der grüne
Frosch war so erschrocken über die unerhörte Kühnheit des Königs, dass er ganz
platt am Boden lag und dachte, das Herz müsste ihm stillstehen. Aber die
Prinzessin Nachtigall flog schnell auf einen höheren Ast hinauf und sang:
»Ich
lebe frei in Flur und Hain, Muss frei in Lüften schweben –
Und sollte ich auch Kön'gin sein – Im Sumpf kann ich nicht leben!«
»Nein, im
Sumpf kann sie nicht leben«, wiederholte der grüne Frosch, der sich von seinem
Schrecken etwas erholt hatte; aber der König wurde sehr böse.
»Was ist
denn das für ein zimperliches Gehabe!« schrie er. »Warum soll sie denn nicht im
Sumpfe leben können? Es ist sehr schön bei uns im Sumpfe, Fräulein Prinzessin,
mir gefällt es sehr gut, und einen Mann mit einem Edelstein im Kopfe kriegen
sie gewiß nicht wieder. Darum überlegen sie sich nur die Sache!«
Aber die
Nachtigall war weit in die blühenden Kirschen hinein geflogen und sang dort ihr
Lied ganz unbekümmert um den zornigen Froschkönig. Der sagte, dass er sich nun
erst recht in den Kopf gesetzt habe, die Prinzessin zur Frau zu bekommen, und
als der Grüne ihm Vorstellungen machen wollte, wurde er so böse, wie er es sich
nur irgend leisten konnte, da der große Wald doch noch vor ihm lag, durch den
er hindurch musste, um nach Hause zu kommen. Denn nach Hause musste er
zunächst, da er sich von der Prinzessin nicht auslachen lassen wollte und da er
ihr doch nicht nachfliegen konnte. So sagte er also: Fürs erste sei es nun
genug; er habe die Erfahrung gemacht, dass Reisen wirklich außerordentlich
bilde, und das sei doch immer etwas. Während des ganzen Heimweges aber spann er
Pläne, wie er seine Werbung um die Prinzessin fortsetzen könnte.
»Du musst
wieder hin und ihr Vorstellungen machen«, sagte er endlich zu dem Grünen; aber
der wollte davon nichts wissen. Da drohte der König, ihn ins Gefängnis setzten
zu lassen, wenn er seinen Willen nicht erfüllte, und nun musste der grüne
Frosch doch noch einmal zur Prinzessin zurück, nachdem er den König glücklich
bis zur Wiese, die den Sumpf umschloss, gebracht hatte.
Diesmal
blieb er sehr lange weg; denn erst wollte die Prinzessin ihn nicht anhören; nie
und nimmer würde sie seine Frau, sagte sie; dann fing sie an, über den
Froschkönig zu lachen, und endlich sang sie dem kleinen Grünen vor, so schön
wie noch nie, so dass er ganz überglücklich und doch auch ganz tieftraurig
dabei wurde.
»Ach, wenn
ich doch niemals in den Sumpf zurück müsste«, seufzte er. Da er aber einmal ein
Frosch war, so gehörte er in den Sumpf und musste am Ende doch auch wieder
dahin zurück.
Wie er
sich seiner Heimat näherte, sah er viele Frösche am Waldrande sitzen, und als
er sie erreicht hatte, bemerkte er, dass sie Kletterübungen an den Bäumen und
Sträuchern machten.
»Was tut
ihr denn da?« fragte er erstaunt. Da sagten sie ihm, der König habe diese
Übungen befohlen und habe Preise für die besten Kletterer ausgesetzt.
»Wenn wir
noch acht Tage so weiter üben, sind wir perfekte Kletterer und können die Vögel
in ihren Nestern besuchen«, sagte der Froschmajor.
Da
erschrak der kleine Grüne, denn er ahnte, dass es sich um einen Anschlag des
Königs handelte, die Prinzessin Nachtigall in seine Gewalt zu bekommen. Gerade
als er noch mit dem Froschmajor sprach, kam der König, um sich die Übungen
seiner Truppen anzusehen.
»Ah, da
bist du endlich und führst Privatunterhaltungen, anstatt mir sofort Nachricht
zu bringen!« rief er unwillig, als er den kleinen Grünen bemerkte. »Komm auf
der Stelle her und sage mir Bescheid!«
»Wenn der
Bescheid gut wäre, wäre ich zu dir gekommen«, sagte der grüne Frosch.
Da nahm
ihn der König beiseite und ließ sich genau berichten. Der kleine Grüne kleidete
die Ablehnung der Prinzessin in die schönsten Worte ein, aber der König wurde
doch sehr böse und schrie: »Nun will ich sie erst recht, und ich werde sie
schon bekommen! Dir aber, Freund Grüner, dir traue ich nicht mehr, und damit du
sie nicht etwa warnst, werde ich dich ins Gefängnis setzen lassen, und du
bekommst deine Freiheit erst wieder, wenn ich die Prinzessin habe!«
Auf den
Wink des Königs kamen sogleich ein paar Frosch-Gendarmen und sperrten den
grünen Frosch ein, und der König setzte eine Schildwache vor das Gefängnis. Der
König aber wusste nicht, dass es gerade ein guter Freund von dem kleinen Grünen
war, den er ihm vor die Tür gestellt hatte; denn der grüne Frosch hatte sehr
viele gute Freunde, weil er jeden gern einen Dienst erwies, wenn sich die
Gelegenheit dazu bot, und weil er immer freundlich war. Die Schildwache
erzählte dem Grünen, dass die Froschsoldaten bei ihren Kletterübungen die
Mäuler voller Wasser halten müssten, und dass unter ihnen das Gerücht umginge,
sie sollten Vögel fangen lernen; denn das ist eine bekannte Sache, dass
Sumpfwasser für alle Tiere, die nicht darin geboren sind, einen bösen Zauber
hat, und ein Vogel, der nur einen Tropfen davon auf die Flügel bekommt, der
kann nimmer fliegen. Als der kleine Grüne das hörte, zitterte er; denn nun wusste
er, was es mit den Übungen und den Plänen des Königs für eine Bewandtnis hatte.
Er bat die Schildwache, ihm immer Nachricht zu geben von dem, was draußen
geschähe, und als er nach einiger Zeit erfuhr, dass die Frösche in der nächsten
Nacht ausrücken sollten, um mit ihrem Sumpfwasser eine Vogelprinzessin zu
fangen, stürzte er sich plötzlich wie ein Wilder auf die Schildwache,
überwältigte sie und entfloh.
Da das nun
ein ganz unerhörter Vorfall im Froschreiche war, so wurde es sogleich dem König
gemeldet, der darauf befahl, dass alle Froschsoldaten ausrücken und den
Flüchtling fangen sollten.
»Ich weiß
schon, wohin er gegangen ist, und ich werde euch selbst führen. Das Sumpfwasser
nehmt aber auch gleich mit, denn da, wo er ist, da ist auch die Prinzessin«,
sagte der König.
Und nun
ging es fort wie die wilde Jagd. Der König sprang voran, und die Frösche
sprangen hinterher, immer einer über den anderen weg, dass es aussah als sei
der Erdboden im Walde lebendig geworden und schlage Wellen. Aber so sehr sie
sich auch beeilten, sie kamen doch zu spät; denn gerade hatte der kleine Grüne
die Prinzessin gewarnt, und als die Frösche ankamen, flog sie hoch in die Luft
und verschwand hinter den blühenden Kirschbäumen.
Der kleine
Grüne sah ihr nach, ganz glücklich über sein Rettungswerk, und dann fingen sie
ihn, und der König hielt Gericht über ihn. Und so viele gute Freunde er auch
hatte, jetzt konnten sie ihm doch alle nicht helfen – sein Verrat war zu sehr
erwiesen. Er wurde daher »zum Storch« verurteilt – das bedeutet in der
Froschsprache soviel wie »zum Tode«. Er versuchte auch gar nicht um Gnade zu
bitten; er wollte nicht mehr im Sumpfe leben, und fliegen konnte er doch einmal
nicht – so war es am besten, wenn er nicht mehr lebte, und da mochte der Storch
ihn immerhin holen.
Er ging
ganz von selbst auf die Wiese, gerade dorthin, wo der Storch seinen
Lieblingsplatz hatte, und der letzte Dienst, den seine vielen Freunde ihm
erweisen konnten, war, dass sie ihn nicht mit Binsen festbanden, wie der König
befohlen hatte. Er saß ganz still und wartete auf den Storch. Und gerade als
der über die Wiese daher kam, kroch auch der junge König aus seinem Loch hervor
und versteckte sich hinter einem Weidenknorren, um der Exekution zuzusehen. Er
lugt mit großen, runden Augen aus seinem Versteck hervor, und aus dem Sumpf tauchte
ein Heer von Froschköpfen auf, die alle »dabei« gewesen sein, aber doch in
Sicherheit bleiben wollten. Der kleine Grüne saß ganz still – vielleicht war er
schon vor Kummer und Sehnsucht nach der Prinzessin gestorben. Der Storch sah
ihn sofort, kam auf ihn zu und rannte ihm seinen roten Schnabel durch den Leib.
Aber anstatt ihn zu verspeisen, ließ er ihn fallen, blinzelte ihn von allen
Seiten an, und dann klapperte er:
»Was ist
denn das für eine neue Mode? Seit wann tragen denn die Frösche Edelsteine in den
Köpfen? So was verdirbt einem ja den Appetit!«
Ein
vielstimmiges, erschrockenes »Quak« erschallte aus dem Sumpf, und der junge
König war so entrüstet, dass er seine Froschnatur ganz vergaß und schrie:
»Sie irren
sich, Herr Storch, ein Edelstein in einem Froschkopf kommt nur alle 500 Jahre
einmal vor, und dieses Mal habe ich ihn!«
»Das
wollen wir gleich mal sehen«, antwortete der Storch, und mit einem Satz war er
bei dem jungen Froschkönig und spießte ihn.
»Keine
Spur von einem Edelstein, ein ganz guter Speisefrosch!« klapperte er. Denn nach
seiner Ansicht, waren die Frösche dazu da, von den Störchen gefressen zu
werden.
Er
verspeiste den König also mit gutem Appetit und spazierte dann über die Wiese
zurück, als wäre gar nichts geschehen.
Die
Frösche aber begruben den kleinen Grünen, den er nicht gemocht hatte, mit
großem Geschrei, und den Edelstein setzten sie ihm als Denkmal auf sein Grab.
Nun wussten
sie, dass sie 500 Jahre warten mussten, bis wieder einmal einer mit einem
Edelstein im Kopf kam! Und sie glaubten, die Frösche in 500 Jahren würden dann
klüger sein, als sie es gewesen waren.
wird fortgesetzt
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