Freitag, 5. Dezember 2014

Im Lazarett


Machwerk R.W. Aristoquakes
Teil 28 - 7
- 9. Kriegstag -
- Im Lazarett und nebenan -

ie 

nächste Leiche auf dem Tische
War die grüne und noch halbwegs frische,
Einst so wunderschöne Hülle
Von Frosch Pfautzger Hoppes Seele.
In ihrer ganzen stolzen Fülle,
Gleich einer schwangeren Makrele,
Wölbte der nun tote Recke
Seinen Wanst zum Öffnungszwecke,
Stramm wie er war, ihr kam's gelegen,
Der Frau Doktor keck entgegen.

"Endlich mal ein echter Mann,
Mit einem stolzen Bauch"
Dachte sie als sie begann,
So wie's bei ihrem Job war Brauch.

"Gebt mir", sprach sie, "es ist besser,
Für den ein etwas läng'res Messer,
Denn seine Speckschicht ist arg dick."

Und dann begann sie mit Geschick,
Nach imaginärem Klingenwetzen
Über den Rücken ihrer Hand,
Es auf den Brustkorb ihm zu setzen,
Welcher ihr entgegenstand.

Nach kurzem Druck, ein langer Zug,
Schon war der Bauch auf, weit genug,
Um aus des Frosches Eingeweiden,
Die Organe herauszuschneiden.

Alles wurde untersucht!
Als die Todesursache nach zwei Stunden
Immer noch nicht war gefunden,
Hat die Frau Doktor arg geflucht.

Zum Schluss hat sie dann aufgeregt,
Dick- und Dünndarm freigelegt.
In Windungen, acht Meter lang,
Vom Tisch bis hinaus auf den Gang,
Schlängelte, scheinbar intakt,
Sich des toten Frosch's Verdauungstrakt.

Dann schrie sie plötzlich ganz laut "Da",
Weil in der sechsten Dickdarmschlinge
Sie eine Darmverdickung sah.

Mit ihres Messers scharfer Klinge
Öffnete mit allem Scharm
Der ihr, wie keiner eigen war,
Des toten Pfautzger Hoppes Darm.
Da wurd mit Kennerblick ihr klar,
Dass etwas, das der Frosch einst aß,
Ganz offensichtlich fest dort saß.

"Oje" rief sie, "welch ein Malheur,
Wie ein Elefant im Nadelöhr
Saß ein Insekt dort fest im Schlauch,
Welches entgegen jedem guten Brauch,
Vermutlich nach Fliege hat gerochen
Doch Hoppes als Wespe hat gestochen.
Sein Darm war deshalb zugeschwollen."

"Was hätte der Arme machen sollen?
Als den Stich er hat gespürt
Der zum Tode hat geführt,"
Dachte sie zutiefst betroffen
Und ließ die Frage offen
Für den Generalarzt Patte
Den sie als Vorgesetzten hatte.

In der Etappe mit viel Spaß
Der die Sezierberichte las,
Die sie in Durchschrift an den Stab
Bei welchem er saß, weitergab.
Über das, was an der Front passierte.
Jener sich köstlich amüsierte

Getan hat er dort nicht sehr viel.
Doch für seinen straffen Führungsstil
Ist er überhäuft mit Orden
Und schnell befördert worden.

An der Front sein Einsatzteam
War gänzlich schnurz und schnuppe ihm.
Hauptsache die Berichte kamen
Weil sie die Langweile ihm nahmen.

"Der General ist ein Halunke"
Dachte die Ärztin Huckasch Unke.
"Auf Pausback persönlich eingeschworen,
Hatte bei ihm und seinen Senatoren,
Durch die Reihen und komplett,
Er immer einen Stein im Brett.

Denn jene wussten abzuwägen
Dass, würden sie am Brette sägen,
Der Stein, was schließlich keiner wollte,
Gar vor die eig'nen Füße rollte
Und ihnen schadete noch mehr
Als Patte, der nur ein Begehr
Stets verfolgte mit Verlangen,
Den nächsten Dienstgrad zu erlangen.

Dafür waren Pausbacks Knecht
Selbst unerlaubte Mittel recht.

Ohne jede Ehr im Leib
Kannt' er nur einen Zeitvertreib!
Gehorsam ohne ein Gegenwort zu wagen,
Zu schleimen und jawohl zu sagen.

Sein großes Froschmaul auch in Sachen
Seiner Soldaten aufzumachen,
Um ihnen im grausamen Geschehen
An der Front mal beizustehen,
War ihm zuwider und er hatte
Schiss davor in 'ner Debatte
Auch Missstände einmal zu nennen.

Er wollt sich nicht das Maul verbrennen.
An Dingen die weitab vom Stabe
Passierten an der fernen Front.
Mit Wichtigtuereigehabe
Tat er nichts, doch das gekonnt.

Er hielt vornehm sich zurück
Und dacht nur an sein eignes Glück
Das im Stabe er als Boss,
Von seinem Schreibtisch aus genoss.

Ja, der Generalarzt wusst' zu leben.
Und er verstand es anzugeben
Und alle um sich herum zu blenden.
Ohne Worte zu verschwenden,
Bei König Pauback für die Seinen,
Wusste er im rechten Licht
Zu wahren immer sein Gesicht,
Ohne Rücksicht auf die Kleinen.

***

Doch das war nicht ihre Art.
Bescheidenheit mit Fleiß gepaart,
Galt für sie und für ihr Team.
Keiner hätt' getauscht mit ihm.
Ihnen allen war das Sein
Wichtig nur und nicht der Schein."

Das war es, was die Ärztin dachte
Währen den Bericht sie machte.

Ihr letzter Satz hieß Exitus
Durch Wespenstich und Darmverschluss.

Dann sprach sie: "Fertig, macht ihn zu
Und gönnt dem Armen seine Ruh!"


***

Hunke's Team von Pathologen
Öffnete Leichen mit Verstand.
Selbst Todesursachen wie Drogen,
Man ohne große Mühe fand.

Gallen- und Nierensteine, oft versteckt,
Hat die Ärztin schnell entdeckt.
Aids, Tuberkulose, Pest und Gicht,
Brüche, Karzinome, Seuchen, Sucht,
Nach all dem wurde Schicht um Schicht,
In den Froschleichen gesucht,
So lange bis mit Sachverstand
Die Todesursache man fand.

Manchmal ging es nicht so glatt.
Beim alten Hüppling Poggeplatt
Aus König Pausbacks Heeresstab,
Es große Schwierigkeiten gab.

In seinem Wanst wurd man nicht fündig.
Alles saß am rechten Fleck.
Weder Eiter, Blut noch Dreck
Konnte die Frau Doktor finden.

"Na gut" sprach sie drum kurz und bündig,
"Dann müssen wir uns eben schinden
Und hinter seiner Denkerstirn
Weitersuchen im Gehirn."

Gesagt, getan, wie angedacht,
Wurde es schließlich auch gemacht.

Nach kurzem anstrengendem Sägen
Und ein paar gezielten Hammerschlägen,
War dem Frosch, dem gruslig kalten,
Der Schädel so weit aufgespalten,
Dass die Frau Doktor zwecks Befund,
Erkennen konnt' den Todesgrund.

Schnell wurd ihr die Sache klar.
Das Hirn war löchrig wie ein Sieb.
Geschädigt durch Alkohol und Rauchen
Und den stressigen Dienstbetrieb
War er zu nichts mehr zu gebrauchen.

"Hirntod!" sprach sie lapidar
Und fügte im Detail sodann
Den Krankheitsverlauf weiter an:

"Weil zu viel Kalk wurd abgelagert
Ist sein Gehirn schnell abgemagert,
Bis am End das morsche Ding,
Im halb leeren Schädel hing.
Dem letzten Rest, sehr schlecht durchblutet,
Hat Hüppling zuviel zugemutet.
Vermutlich gestern Vormittag
Erlitt der Gute einen Schlag,
Wobei das Leben er verlor.

Das kommt in Stäben öfter vor.
Die Leute denken dort zu viel
Und setzen ihr Leben so aufs Spiel."

Dann klappte sie den Schädel dicht.
Der Rest steht im Sezierbericht.

***
Die nächste Leiche, die man brachte,
Es war die siebte oder achte
Bereits an diesem Vormittag,
War die von Wutsche Zwüppequak.

Das Ärzteteam ist arg erschrocken.
"Mein Gott, das sieht ja aus wie Pocken,"
Rief einer indem vom Froschleichnam
Er ein wenig Abstand nahm,
Denn er wollte beim Sezieren
Sich nicht am Toten infizieren.

"Keine Bange", sprach Frau Hunke.
"Das ist so klar wie dicke Tunke.
Giftgas hat ihn umgebracht.
Der einstmals sicher fesche Junge
Hat eine von Gift zersetzte Lunge.
Drum wird er nicht erst aufgemacht.

Gas ist im Kriege zwar verboten.
Doch ihr seht es an den Toten,
Dass sich kein Schwein heut daran hält."

Dann wurde schärfer sie im Ton.
"Wir haben noch zehn Stück davon.
Wenn den Kriegsherrn es gefällt,
Tun sie alles was sie wollen
Und auch das was sie nicht sollen.

Manchmal setzen hundsgemein,
Phosphor sie und Napalm ein."

Sie dachte dabei an Saddam
Und den Krieg in Vietnam.
Dann schrieb sie den Sezierbericht.
"Tod durch Massenvernichtungswaffen!"

Die gab es offiziell zwar nicht,
Doch sie ließen sich beschaffen.

Sie dachte an Amerika.
An Nagasaki und Hiroschima,
An Israel, Indien und den Iran,
An Frankreich, England, Pakistan,
Und an Dachau, Auschwitz, Treblinka,
Wo Hitler sechs Millionen Juden,
Vergasen ließ in Bretterbuden.

Die Bilder, die sie vor sich sah,
Gingen ihr arg an die Nieren.

Dagegen dacht sie, ist sezieren,
Auch wenn die exhumierten Toten,
Nicht grad 'nen schönen Anblick boten,
Als Job erquickend und erlabend.

Dann unterschrieb sie den Bericht
Mit Doktor Hunke, dritte Schicht.

Und dann war Feierabend.

***

wird fortgesetzt





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Zur Einstimmung

Bei dem hier unter dem Pseudonym R.W. Aristoquakes virtuell zur Veröffentlichung gebrachten, mehr als einhundertfünfzigtausend Doppelverszeilen umfassenden und mit über 15.000 Zeichnungen versehenen Epos handelt es sich um die umfangreichste Nacherzählung des Homer zugeschriebenen Kriegsberichtes, die jemals niedergeschrieben wurde und nach Auffassung des Autors, um das wichtigste literarische Werk der Neuzeit überhaupt.

Unter dem oben abgedruckten Titel veröffentlicht der noch unbekannte Schriftsteller an dieser Stelle in den nächsten fünf Jahren sein als Fortsetzungeerzählung entstandenes Mammutmachwerk über den antiken Tierkrieg und dessen Folgen für die Menschheit.

Das über zweitausend Jahre alte homerische Epillion, das im Original nur etwa 300 Verszeilen umfasst, wurde von R.W. A., der zehn Jahre lang daran gearbeitet hat, zu einem Mammutwerk aufgebläht, das die Batrachomyomachia mit der Ilias und der Bibel verbindet.

Diese Verknüpfung der drei wichtigsten Werke der abendländischen Literatur, die in etwa zur gleichen Zeit entstanden sind, dient dem Autor dazu, seine religionsgeschichtliche These zu untermauern, in der er den Frosch als Ursprungsgottheit darstellt und behauptet, dass die Götter der Neuzeit nichts anderes sind als die konsequente Weiterentwicklung der ägyptischen Froschgötter.