Mittwoch, 4. Februar 2015

Im Elysium

Machwerk R.W. Aristoquakes
Teil 31 - 61
- Im Elysium -

Als Aphrodite geendet hatte
Und die andern applaudiert,
Trug Thetis sogleich routiniert,
Und ohne dass sie Zeit verlor,
Von eines Frosches Quappe
Die fünfzehn Finger hatte vor.


Der Fünfzehnfingerfrosch

Menschen werden als Menschen geboren, Katzen als Katzen und Hunde als Hunde. Ist es da nicht seltsam, dass Frösche nicht als Frösche geboren werden, sondern als Kaulquappen?

Kaulquappen leben wie die Fische in Seen und Tümpeln und haben weder Arme noch Beine. Sie brauchen auch gar keine. Denn zum Schwimmen haben sie einen Schwanz und zum Fressen eine große Klappe. Sie müssen die Klappe nur aufmachen, und das können sie.

Erst wenn die Kaulquappen größer werden, wachsen ihnen Arme und Beine. Die brauchen sie zum Hüpfen, wenn sie an Land kommen. Und an Land kommen müssen sie. Denn eines Tages verwandeln sie sich in quakende Frösche, verlernen das Schwimmen und atmen nun über Wasser statt unter Wasser. Das allein ist schon seltsam genug.

Als sich aber Langquak von einer Kaulquappe in einen grünen Frosch verwandelte, geschah etwas, das noch seltsamer war.

Denn Langquak wuchsen fünfzehn Finger!

Die anderen Frösche zeigten mit ihren acht Fingern auf ihn und lachten ihn aus. Sie hatten schließlich auch nicht drei Ohren.

"Was machst du nur mit fünfzehn Fingern?", fragten sie spöttisch.

"Den ersten Finger brauche ich, um ihn in den Mund zu stecken", sagte Langquak.

"Den zweiten, um in der Nase zu bohren. Den dritten und vierten, um nach den Mücken zu schnappen. Den fünften, um mich am Rücken zu kratzen. Den sechsten, um auch auf euch zu zeigen ..."

"Ja, ja, das wissen wir", unterbrachen ihn die anderen Frösche ungeduldig.

"Den siebten, um auf ihm zu pfeifen", fuhr Langquak fort. Den achten, um mir den Schlaf aus den Augen zu reiben ... den neunten ... den neunten ..."

"Siehst du, jetzt fällt dir nichts mehr ein!", riefen die anderen und lachten. Mehr als acht Finger brauchte man eben nicht.

Langquak überlegte lange, bevor er weiter sprach.

"Den neunten, um mir selbst auf die Schulter zu klopfen."

"Und ... und den zehnten?", riefen die Frösche und waren sicher, dass der zehnte Finger zu nichts mehr zu gebrauchen war.

"Den zehnten, um die netteste Froschfrau zu streicheln ...", antwortete Langquak.

"Und ... und den elften?", fragten sie weiter.

"Den elften, um euch um den Finger zu wickeln."

"Aber wofür brauchst du den zwölften Finger?"

"Den zwölften ..., um die Rätsel der Welt zu begreifen", sagte Langquak geheimnisvoll.
Die Frösche sahen sich ratlos an. "Be ... greifen?"

"Ja, begreifen!"

"Und ... und was machst du mit den übrigen Fingern?", riefen die Frösche.

"Den nächsten Finger brauche ich zum Fassen."

"Zum Fassen?"

"Ja - Ich will mich mit den schönsten Dingen auf Erden befassen."

Mit dieser Antwort hatten die Frösche nicht gerechnet.

Sie sahen sich verwirrt an. Doch niemand traute sich, Langquak zu widersprechen.

"Ich fasse es nicht!", murmelte einer der Frösche. Dann fragte er Langquak: "Aber was machst du mit deinem vierzehnten Finger?"

"Den hab ich zum Fühlen", antwortete Langquak.

"Zum Fühlen, zum Fühlen", äfften die anderen ihn nach. "Was willst du damit schon
fühlen?"

"Er ist mir gewachsen, um mich glücklich zu fühlen", sagte Langquak leise.

Wieder sahen sich die Frösche verwundert an. "Aber dein letzter Finger - der ist nun wirklich zu nichts zu gebrauchen", riefen sie und hofften, dass der Fünfzehn-Finger-Frosch dieses Mal keine Antwort wusste.

Langquak lachte. "Den brauche ich, um den Mund auch im Schlaf aufzuhalten. So fliegt mir das Essen ganz von selbst in den Mund. Und wenn ich aufwache, bin ich schon
satt."

Da wurden die Frösche ganz neidisch auf Langquak und wünschten sich, ihnen wären auch fünfzehn Finger gewachsen.

Nur das junge hübsche Froschfräulein  Betterfrösch gehörte nicht zu all den neidischen Sumpfbewohnern, denn ihr waren bei der Verwandlung von der Kaulquappe in einen Frosch gleich sechs Arme mit insgesamt mehr als zwanzig Fingern gewachsen.





***

wird fortgesetzt

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Zur Einstimmung

Bei dem hier unter dem Pseudonym R.W. Aristoquakes virtuell zur Veröffentlichung gebrachten, mehr als einhundertfünfzigtausend Doppelverszeilen umfassenden und mit über 15.000 Zeichnungen versehenen Epos handelt es sich um die umfangreichste Nacherzählung des Homer zugeschriebenen Kriegsberichtes, die jemals niedergeschrieben wurde und nach Auffassung des Autors, um das wichtigste literarische Werk der Neuzeit überhaupt.

Unter dem oben abgedruckten Titel veröffentlicht der noch unbekannte Schriftsteller an dieser Stelle in den nächsten fünf Jahren sein als Fortsetzungeerzählung entstandenes Mammutmachwerk über den antiken Tierkrieg und dessen Folgen für die Menschheit.

Das über zweitausend Jahre alte homerische Epillion, das im Original nur etwa 300 Verszeilen umfasst, wurde von R.W. A., der zehn Jahre lang daran gearbeitet hat, zu einem Mammutwerk aufgebläht, das die Batrachomyomachia mit der Ilias und der Bibel verbindet.

Diese Verknüpfung der drei wichtigsten Werke der abendländischen Literatur, die in etwa zur gleichen Zeit entstanden sind, dient dem Autor dazu, seine religionsgeschichtliche These zu untermauern, in der er den Frosch als Ursprungsgottheit darstellt und behauptet, dass die Götter der Neuzeit nichts anderes sind als die konsequente Weiterentwicklung der ägyptischen Froschgötter.