Montag, 2. Februar 2015

Im Elysium


Machwerk R.W. Aristoquakes
Teil 31 - 48
- Im Elysium -

"Von Fröschen gibt es mancherlei
Von dem noch zu berichten sei,"
Sprach Helena darauf in knappen
Aber ernst gemeinten Worten.

"Doch auch von des Lurches Quappen,
Die man im Wasser allerorten,
Wenn man hinschaut, sehen kann,
Gibt es vielerlei Geschichten
Die sich lohnen, zu berichten."

Worauf die Schöne gleich begann
Eine davon auszuwählen
Um sie den andern zu erzählen.


Die Kaulquappen
- Karl Ewald -
Quelle, Vier feine Freunde, Stuttgart 1927
Es war Ende März.

Die Schlittschuhe waren bis zum nächsten Mal verwahrt worden, denn das Eis war überall geschmolzen. Auch der Schnee war zu Wasser geworden und füllte die Gräben, dass sie überliefen. Nur tief unterm Gebüsch lag noch ein wenig; aber dieser Überrest war so gering und schmutzig, dass niemand sich etwas aus ihm machte.

Und das Gras begann, sich zu schämen, weil es so gelb war; und es fragte unten in der Erde an, ob denn der neue Nachwuchs noch nicht bald komme. Die Veilchen schlugen vorsichtig ihre Blauäuglein auf, und in den Knospen der Bäume war ein emsiges Werden im Gange, damit der Pfingstschmuck nur ja beizeiten fertig würde. Tag für Tag schwollen die Knospen mehr und mehr; in ihnen lagen viele hellgrüne Gewänder bereit; und eines schönen Tages verlor der Stachelbeerstrauch die Geduld, seine Knospen sprangen auf, und er fächelte sich mit winzigen Blättern, als könnte er es vor Wärme nicht aushalten.

Die Sonne aber guckte jeden Augenblick zwischen den treibenden Wolken hinab und rief mit schallender Stimme über die Erde hin:

»Ich komme! Ich komme! Nur geschwind an die Arbeit, dann hat alles seine Ordnung!«
Das meinte auch der Star, der im Walde auf dem Grabenrand saß und sich sehnte.

Kalt war es freilich, besonders in der Nacht, und an Futter fand man auch nur das Allernotwendigste. Aber der Star kommt lieber einen Monat zu früh als einen Tag zu spät. Er putzte und schniegelte sich, hielt den Schnabel recht hoch in die Luft und pfiff, um die gute Laune nicht zu verlieren. Als die eigne Musik ihn langweilte, legte er den schwarzen Kopf auf die Seite, schloss die Augen und lauschte dem Grabenwasser, das eifrig rieselte und rauschte und allerlei vor sich hinmurmelte.

»Sing, Bächlein!« sagte der Star. »Singe nur. Im Sommer bist du versiegt und verstummt. Wir andern aber fangen dann erst richtig an, denn dann ist der Tag voller Sonnenschein und das Feld voller Würmer, und ich selbst habe ein Nest mit allerliebsten Jungen.«

»Ach ja!« seufzte eine Stimme ganz in der Nähe. »Wem Gott Kinder beschert, dem beschert er auch Sorgen.«

Der Star schaute sich um und gewahrte einen großen braunen Frosch, der ihn mit traurigen Augen anstierte.



»Aha, du bist es!« sagte er. »Ich wünsche dir ein frohes Frühjahr! Aber man darf nicht so reden, wie du es tust. Natürlich hat man viel Arbeit, wenn das Nest voller Kinder ist. Sie sind hungrig und schreien; und man hat ein gehöriges Tagewerk hinter sich, wenn man ihnen den Hals gestopft hat. Aber dafür ist's auch herrlich, so am Abend beim Neste zu sitzen und zu singen. – Sagst du das nicht auch?«

»Ich sage Quorax!« schrie der Frosch ärgerlich.

Der Star tat so, als ob er nichts gehört hätte, und fuhr ruhig fort:

»Und noch schöner ist es, die Kinder heranwachsen zu sehn, zu beobachten, wie sie Augen bekommen ... und Flügel und Schwänze ... und sie fliegen und Würmer fangen zu lehren!«

»Quak ... quak ... quorax!« schrie der Frosch und machte drei ungeheure Sprünge.

»Ich weiß nicht, was du mit deinem Gequake sagen willst,« bemerkte der Star, »aber es klingt recht unmanierlich.«

Bevor er noch ausgesprochen hatte, war der Frosch kopfüber in den Graben gesprungen. Er zog seine Vorderbeine an die Brust heran und machte mit den Hinterbeinen gewaltige Schwimmbewegungen. Drei-, viermal schwamm er hin und her, dann hüpfte er wieder aus dem Wasser, setzte sich auf seinen alten Platz neben den Star und starrte melancholisch in die Luft.
Der Star pfiff eine sanfte Melodie und sagte dann:

»Hat es geholfen? Du bist offenbar ein bisschen hitzig von Natur, und das ist recht dumm von Dir! Man soll das Leben nicht so feierlich nehmen. Erzähl mir, was Dich quält! Es hilft zuweilen, wenn man sein Herz erleichtert, und ich langweile mich.«

»Sie würden mich doch nicht versteh'n, wenn ich's Ihnen auch erzählen würde,« erwiderte der Frosch. »Was weiß ein vornehmer Vogel wie Sie vom Ernst des Lebens? Sie haben Ihr warmes, behagliches Nest und können Ihre Kinder zu anständigen Leuten erziehen. Unsereins hat es nicht so gut. Ich habe überhaupt kein Nest, und meine Jungen muss ich ganz ihrem Schicksal überlassen.«

»Du hast kein Nest?« fragte der Star erstaunt. »Wohin legst du denn deine Eier?«

»Dort unten hin,« erwiderte der Frosch und zeigte in den Graben hinab.

»Ins Wasser?«

»Natürlich. Daran ist doch nichts Merkwürdiges. Meine Eier haben keine so harte Schale wie die Ihren; wenn ich sie auf die Erde legen wollte, würden sie sofort vertrocknen und zugrunde geh'n.«

»Können Deine Kinder denn schwimmen – gleich von Anfang an?«

»Gott sei Dank! Das können sie allerdings. Das liegt der Familie nun mal im Blut. Sonst aber sind sie so aus der Art geschlagen, dass man sich darüber zu Tode grämen könnte.«

»Was tun sie denn?«

»Kommen Sie, und überzeugen Sie sich selber!«

Der Frosch hüpfte am Grabenrand entlang, und der Star spazierte hinterdrein; denn er war neugierig und hatte ja in dieser Jahreszeit nichts zu versäumen. Als sie an eine Stelle gelangten, wo der Graben sich zu einem regelrechten kleinen See erweiterte, und wo das Wasser stillzustehen schien, machte der Frosch Halt.

Das Wasser war voll winziger Tierchen, die hin und her schwammen und an den Wasserpflanzen herumzupften. Beine hatten sie nicht, aber ungeheuer dicke Bäuche und lange Schwänze mit Schwimmflossen. Sie sahen aus wie Kugeln mit Fischschwänzen, und am Kopf hatten sie auf jeder Seite eine Art Büschel, mit dem sie im Wasser herumfächelten.

Der Frosch sah den Star recht wehleidig an, sagte aber nichts.



»Schau, schau!« meinte der Star und leckte sich den Schnabel. »Die sehen wirklich appetitlich aus. Wenn man nur wüsste, wie sie schmecken! Es sind doch wohl Fische.«

»Ich weiß es nicht,« erwiderte der Frosch. »Aber aus meinen Eiern sind sie tatsächlich gekommen; und ich glaube nicht, dass unsre Familie jemals Fische aufzuweisen gehabt hat.«

»Wart einmal!« sagte der Star nachdenklich. »Ich habe davon gehört, erinnere mich aber nicht mehr recht, wie die Dinge liegen. Nur so viel weiß ich, dass später richtige Frösche daraus werden. Wenn sie sich einmal die Hörner abgelaufen haben, wirst du gewiß Freude an ihnen erleben.«

»Ja, sie müssen allerdings noch so manches ablegen, bevor Frösche daraus werden,« erwiderte der Frosch. »Was für einen Schwanz sie haben! Hat man je einen Frosch mit einem Schwanz gesehen? Und dieser Bauch! Man kann ja durch die Haut hindurch alle Gedärme sehen. Und dann das Gebaumel da am Halse! Wo sind denn eigentlich ihre Beine? Sehen Sie doch, wie sie im Wasser herumrennen und Gras und ähnliches Zeug fressen, während dicht vor ihrer Nase die prachtvollsten Insekten herumschwimmen! Der liebe Gott mag wissen, was ich verbrochen habe, dass meine Kinder solche Missgeburten geworden sind!«

Der Frosch begann, jämmerlich zu flennen, und der Star erwog schon, ob er sich nicht lieber empfehlen solle, denn alles Traurige war ihm zuwider. Aber da sprang der Frosch mit einem gewaltigen Satze in den Graben, schwamm zu einem Stein hin, der ein wenig über die Wasseroberfläche hervorragte, und kletterte hinauf.

»Da ist das komische alte Geschöpf!« riefen die Tierchen im Wasser. »Nun wird's lustig werden!«

Alle lachten, daß ihre dicken Bäuche wackelten und die Schwänzlein vor Freude bebten. Dann schwammen sie um den Stein herum und sangen aus vollem Halse:

»Alter Frosch, auf trägen Beinen
Humpelst du am Strand.
Neuen Zeiten, will uns scheinen,
Hältst du gar nicht stand!
Statt zu humpeln durch das Gras,
Plätschern wir im frischen Nass
Wie aus Rand und Band.«

Zweimal sangen sie ihr unartiges Liedchen, das dem alten Frosch die Tränen über die Backen liefen.

»Da können Sie es selbst sehen,« sagte er zu dem Star. »So reden sie mit ihrer eignen Mutter!«
»Jaaaa,« erwiderte der Star nachdenklich. »Das macht sich freilich nicht gut.«

Jetzt schwammen die Tierchen weiter den Graben entlang. Nachdem der Frosch sich die Augen getrocknet und seine Fassung wieder gewonnen hatte, sah er, dass nur ein einziges Tierchen zurückgeblieben war, das im Wasser gerade unter dem Stein stand und mit dem Schwanze um sich schlug.

»Pfui! Schäm er sich!« schrie der Frosch. »Steht er noch immer da und macht sich über seine alte Mutter lustig! Ihr seid mir nette Burschen!«

»Ich bin kein Bursch,« sagte das Junge. »Ich bin eine Kaulquappe.«

»Ja, warte nur, bis ich dich zu fassen kriege, du ungezogner Lümmel du! Nicht einmal der ehrliche Name deiner Eltern ist gut genug für dich.«

Die Kaulquappe schwamm ein paar Mal hin und her und zupfte an einer Wasserpflanze. Dann blieb sie wieder unter dem Stein stehen und sagte:

»Immer heulst und schimpfst du, als ob die Welt untergehen sollte. Ich begreife nicht, wie du dich so anstellen kannst, du alte Froschmutter! Du hast wohl ganz vergessen, dass du auch mal jung warst!«

»Ob ich das vergessen habe?« erwiderte der Frosch erbost. »In meiner Jugend hatte man andre Begriffe von Anstand und guter Sitte, Jungfer Naseweis! Als ich ein junges Mädchen war, da wäre ich nicht um alles in der Welt mit solchen Firlefanzen am Kopf herumgelaufen, wie du sie da trägst!«

»Davon weiß ich nichts,« sagte die Kaulquappe und fächelte vergnügt mit den Büscheln. »Sind sie nicht hübsch? Es sind meine Kiemen. Ohne die könnte ich überhaupt keine Luft kriegen.«
Der alte Frosch bebte vor Zorn:

»Soso ... du befasst dich mit Kiemen ... du Grünschnabel! Und einen schönen langen Schwanz hast du zum Scharwenzeln! Aber dir ordentliche Beine anzuschaffen, das übersteigt wohl deine Mittel?«

»Was sollte ich wohl mit denen?« fragte die Kaulquappe gleichgültig. »Du brauchst sie vielleicht, um da oben am Lande herumzustelzen. Ich schwimme ja, dazu habe ich meinen Schwanz. Heutzutage geht's nicht ohne ihn. Mit der langsamen altmodischen Manier kommt man nicht mehr durch. Die Kultur steigt, und man muss mit der Zeit gehen.«

»Gott erbarme sich!« sagte der Frosch, indem er seine Vorderbeine auf der Brust kreuzte und zum Himmel aufblickte.

»Übrigens ist es ganz unmöglich, so eine alte Faselliese wie dich zur Vernunft zu bringen,« sagte die Kaulquappe. »Du verstehst nichts, deine Zeit ist vorbei. Ich will dich bloß daran erinnern, dass du selber mich auf die Welt gesetzt hast. Darum musst du mich auch nehmen, wie ich bin.«
Mit diesen Worten schwamm die Kaulquappe davon. Der alte Frosch kehrte zum Grabenrande zurück und setzte sich neben den Star, der nicht wusste, wie er die traurige Mutter trösten sollte. Drum flötete er:

»Nun kommt der Frühling, und dann wird alles wieder gut, du sollst es sehen! Wo warst du im Winter?«

»Ich habe in einem Loch unten auf dem Grunde des Mühlenteiches gesessen,« erwiderte der Frosch.

»Jaaa. Davon kann man allerdings schwermütig werden,« sagte der Star. »Du solltest ein wenig auf Reisen gehen. Das erfrischt und macht Laune.«

»Gott, wo denken Sie hin?« entgegnete der Frosch. »Ich mit meiner Figur! Ich bin für die Ruhe geschaffen, wenn ich bloß quer über die Wiese hüpfe, tun mir meine Hinterbeine weh.«
Dann flog der Star fort. Der Frosch ließ seine Zunge weit aus dem Munde hervorschnellen und schnappte eine Fliege, die auf dem nächsten Blatte saß, ohne an etwas Böses zu denken. Er fraß die Fliege und versank dann wieder in seine trüben Gedanken.




Der Star war eifrig dabei, sein Nest dichtzumachen und auszupolstern. Er wohnte in dem Starenkasten auf der Ulme, die vor dem Forsthause stand, und er merkte, dass es bald Zeit war, die Eier zu legen; denn der Kopf war ihm so sonderbar benommen, und von Zeit zu Zeit musste er weinen.

Da fiel ihm der arme Frosch ein, den er nun schon geraume Zeit nicht zu Gesicht bekommen hatte. Er flog auf den Grabenrand und rief.

»Hier bin ich, hier bin ich, Frau Star!« antwortete der Frosch dicht neben der Stelle, wo der Star sich niedergelassen hatte.

»Was? Sitzest Du immer noch hier? Wie geht es denn mit den Kindern? Jetzt kommt auch meine Stunde, und da musst ich an dich denken.«

»Das war hübsch von Ihnen, dass Sie sich einer armen Frau erinnern. Vielen Dank! Ich sehe die Dinge jetzt nicht mehr so tragisch an.«

»Wie kommt denn das?« fragte der Star.

Der Frosch winkte ihm und hüpfte ganz bis ans Wasser heran.

»Wollen Sie sich selbst überzeugen!« sagte er.

Und der Star guckte in den Graben hinab. Der war voller Kaulquappen, die wie früher lustig umher schwammen, aber viel größer geworden waren. Und einige von ihnen hatten hinten die niedlichsten Froschschenkelchen von der Welt, ja zwei von den größten der Tierchen hatten sogar schon kleine Vorderbeine.

»Nicht wahr?« sagte der alte Frosch, »Sie fangen an, sich besser aufzuführen. Sie haben allerdings immer noch den garstigen Schwanz und das Teufelszeug am Kopfe. Aber jetzt sehe ich wenigstens, dass die Sache einen Zweck hat. Und nun halte ich mich mehr zurück, schelte die kleinen Wesen nicht mehr aus. Ich denke, das beste ist, man lässt der Natur ihren Lauf. Sehr schwer zu behandeln sind sie übrigens. Als ich neulich eins von ihnen lobte, weil es anfange, Vernunft anzunehmen, lachte es mich bloß aus und sagte, ich dürfe mir nicht einbilden, dass es jemals so eine alte Hinkepinke werden wolle, wie ich. Ach ja, die Kinder, die Kinder! Gebe Gott, dass Sie mehr Glück mit den Ihren haben!«

»Schönen Dank!« erwiderte der Star. »Ich fliege jetzt nach Hause und fange an.«

Und in der nächsten Zeit lag das Starenweibchen auf seinen Eiern in dem Kasten auf der Ulme und hatte ganz und gar keine Zeit, an den Frosch zu denken. Als sie aber merkte, dass die Jungen nun jeden Augenblick ausschlüpfen konnten, bat sie ihren Mann, solange er noch Zeit habe, zum Graben hinüber zu fliegen und einen Gruß von ihr zu bestellen.

»Die Froschfrau ist auch Mutter,« sagte sie. »Aber die Ärmste hat mit ihren Kindern Pech gehabt. Man muss ihr ein bisschen Teilnahme erweisen.«

Und nun erzählte Frau Star ihrem Manne alles, was sie auf dem Grabenrande gesehen und gehört hatte, und dann flog er hinüber.

So sehr er sich jedoch auch umschaute, er sah keine Kaulquappen im Wasser. Der Graben war bereits halb ausgetrocknet, und unten im Schlamme kroch bloß eine alte, fette Kröte herum.

Da hörte er auf einmal auf der Wiese jenseits des Grabens einen gewaltigen Lärm. »Quak! Quak! Quorax!« Eine ganze Menge Frösche schrie durcheinander. Mitten in dem Kreise saß die alte Froschmutter, während ihre Kinder im Grase umher sprangen. Alle hatten jetzt Beine, und die Kiemenbüschel am Kopfe waren verschwunden. Die Tierchen sahen überhaupt wie richtige kleine braune Frösche aus; ihre nasse Haut glänzte in der Sonne, und sie quakten nach Noten. Ein Schwanzstückchen aber hatten alle noch aus ihrer Jugend behalten.

»Herr Gott, Kinder!« sagte der alte Frosch. »Seid doch nur vernünftig! Ich bin so froh, so froh über euch! Ihr sollt sehen, den widerwärtigen Schwanzrest werdet ihr auch noch los, und dann ist alles in schönster Ordnung.«

Einige von den jungen Fröschen setzten sich nun so, dass man ihre Schwänze nicht sehen konnte. Sie legten den Kopf auf die Seite und sahen die Alte zärtlich an:

»Wir haben gar keine Schwänze mehr! Wir sind schon richtige Frösche, liebes Mütterchen! Mit dem Kaulquappenwesen das war ja nur Spaß.«

Aber andere streckten den Schwanz vor, soweit sie konnten, und lachten die Alte aus, wie sie es in ihrer ersten Kindheit getan hatten.

»Unsinn! Unsinn! Unsinn! Du alte Froschmutter!« schrieen sie. »Wir sind dieselben, die wir immer waren ... Kannst du den Schwanz nicht sehen? Bilde dir nur nicht ein, dass wir vernünftig geworden seien, wie du es nennst. Soweit bringen wir es nie. Stets wollen wir freie, lustige Kaulquappen bleiben!«

Der alte Frosch schalt und bat, die Jungen schrieen, und der Lärm wurde immer ärger. Der Star schüttelte den schwarzen Kopf und flog nach Hause, um seiner Frau zu erzählen, was er gesehen und gehört hatte.

»Das ist ja eine recht unruhige Familie,« sagte er.

»Eine unglückliche Familie ist's!« erwiderte Frau Star. »Sobald ich wieder ausgehen kann, mache ich mit unsern Kleinen einen Spaziergang und statte der Froschmutter einen Besuch ab. Für unsre Kinder ist es gut, wenn sie etwas von der Welt sehen. Dann wissen sie ihr behagliches Heim desto mehr zu schätzen.«

Und als die jungen Stare Augen und Federn bekommen und ein wenig fliegen gelernt hatten, begab sich ihre Mutter mit ihnen auf die Wiese, damit sie den alten Frosch kennen lernen sollten. Lange suchten und riefen sie nach ihm; und schließlich fanden sie ihn unter einem großen grauen Stein.

»Nun?« fragte der Star. »Ich bin jetzt so weit, wie du siehst! Wie ist es dir ergangen? Wo sind deine Kinder?«

»Die sind längst weg,« erwiderte der Frosch. »Sie haben sich über die Wiese verstreut und sorgen für sich selber.«

»Das ist ja großartig!« sagte der Star. »Und wie sehen sie denn aus?«

»Jösses! Es sind die niedlichsten Frösche von der Welt geworden. Sie springen und sagen: Quak! Ich könnte mir keine bessern Kinder wünschen!«

»Na also ... Ende gut, alles gut!«

»Darin haben Sie recht. Aber der Anfang war allerdings schwer genug. Und stellen Sie sich einmal vor: Eines Tages, als sie ganz ausgewachsen waren und den Schwanz und all das andre Zeug abgelegt hatten, unterhielt ich mich mit ihnen über die Sache. Und da starrten sie mich an mit Augen, die gar nichts mehr von früher zu wissen schienen. Und die Kinder lachten und ließen mich kaum ausreden, schließlich sagte eins von ihnen, ich hätte ihnen eine zu schlechte Erziehung gegeben, wenn sie mal Kinder kriegten, so sollten die etwas andres zu hören bekommen, falls sie solche Affenstreiche unternehmen würden. – Ich bitte Sie, was sagen Sie dazu? Wie habe ich gepredigt und gekämpft!«

»Ja ... die Jugend ist undankbar,« sagte Mutter Star.

»Nun,« meinte die Froschfrau zum Schluss, »sie haben sich ja doch fügen müssen, und das ist die Hauptsache. Im Winter sitzen wir alle in unsern Löchern auf dem Grunde des Mühlenteichs, und dann kann niemand es ihnen ansehen, wie ausschweifend sie in ihrer Jugend gelebt haben.«


***

wird fortgesetzt


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Zur Einstimmung

Bei dem hier unter dem Pseudonym R.W. Aristoquakes virtuell zur Veröffentlichung gebrachten, mehr als einhundertfünfzigtausend Doppelverszeilen umfassenden und mit über 15.000 Zeichnungen versehenen Epos handelt es sich um die umfangreichste Nacherzählung des Homer zugeschriebenen Kriegsberichtes, die jemals niedergeschrieben wurde und nach Auffassung des Autors, um das wichtigste literarische Werk der Neuzeit überhaupt.

Unter dem oben abgedruckten Titel veröffentlicht der noch unbekannte Schriftsteller an dieser Stelle in den nächsten fünf Jahren sein als Fortsetzungeerzählung entstandenes Mammutmachwerk über den antiken Tierkrieg und dessen Folgen für die Menschheit.

Das über zweitausend Jahre alte homerische Epillion, das im Original nur etwa 300 Verszeilen umfasst, wurde von R.W. A., der zehn Jahre lang daran gearbeitet hat, zu einem Mammutwerk aufgebläht, das die Batrachomyomachia mit der Ilias und der Bibel verbindet.

Diese Verknüpfung der drei wichtigsten Werke der abendländischen Literatur, die in etwa zur gleichen Zeit entstanden sind, dient dem Autor dazu, seine religionsgeschichtliche These zu untermauern, in der er den Frosch als Ursprungsgottheit darstellt und behauptet, dass die Götter der Neuzeit nichts anderes sind als die konsequente Weiterentwicklung der ägyptischen Froschgötter.