Dienstag, 24. September 2013

Batrachomyomachia

Machwerk R.W. Aristoquakes
Teil 21-22
Märchenerzähler im Olymp

Solchen Beifall gab's noch nie.
"Bravo, bravo" schrieen sie
Die Götter all im großen Saal.

Theseus sah es ihnen an,
Sie waren alle angetan
Von der Geschichte, die er eben
Zum Besten hatt' für sie gegeben.

"Ach bitte blättre doch noch mal
In Poseidons Nachtbrevier"
Bettelte Aphrodite schier;
"Sicher gibt es dort noch mehr
Froschgeschichten oder Fabeln.,
Gedichte, Märchen und Parabeln."

"Ach bitte, Theseus, uns zur Ehr,"
So hat sie inniglich gefleht,
"Schau mal was da noch so steht!"

Da mischte sich Poseidon ein:
"Auf Seite zwölf muss noch was sein"
Rief er in väterlichem Tone
Quer durch den Saal zu seinem Sohne.
"Und auf Seite siebenundsiebzig
Steht noch was und auch das ist witzig.
Auch die Mähr auf Seite acht
Kommt dafür noch in Betracht.
Ich denke ja, du kannst es wagen,
Uns auch die noch vorzutragen."

Theseus dankte dem Papa
Während er blätterte und siehe da
Auf Seite zwölf da fand er sie,
Die Story von dem grünen Vieh
Das sich in dieser Variante
Grasfrosch Himmelgucker nannte.

Die trug er sogleich mit Humor
Im erlauchten Kreise vor.


Ein Frosch namens Himmelgucker

- von Tante Herzlinde -
alias Lutz Siemer Meyerdierks


Er saß im Teich und hielt nach Mücken und Fliegen Ausschau. Es war jetzt im Frühjahr noch ziemlich kalt. Und plötzlich - er hatte gerade eine Mücke verspeist - sah er einen fremden Frosch. Er kam näher und setzte sich neben ihn.
„Guten Morgen, Nachbar. Dich habe ich ja noch nie hier gesehen,“ sagte der Neuankömmling.


„Guten Tag. Ich bin seit letztem Herbst hier am Teich. Den Winter habe ich auf dem Grund dieses Teiches verbracht." „Aha, so. Na ja. Wir Grasfrösche kommen eigentlich nur zum Laichen an diesen Teich, sonst sind wir meistens an Land auf den angrenzenden Wiesen. Es sei denn, ein Sommer ist so heiß und trocken, dass wir eine Erfrischung brauchen. Aber der letzte Sommer war schön feucht. Vielleicht waren wir schon in der Kältestarre, als Du gekommen bist,“ sagte der Grasfrosch.

„Seid ihr viele," fragte er. „Sehr viele, Wasserfrosch." „Wasserfrosch sagst Du zu mir? Bin ich nicht auch wie Du ein Grasfrosch,“ fragte der Wasserfrosch.
„Nein,“ lachte der Grasfrosch, „weißt Du das denn nicht?"
„Nein. Ich habe vorher noch nie einen anderen Frosch außer mir gesehen. Ich kann mich wenigstens nicht daran erinnern. Und mich auch nur als Spiegelbild im Wasser," sagte der Wasserfrosch betrübt. „Du armer Wasserfrosch."
„Wieso bin ich ein Wasserfrosch, und Du ein Grasfrosch? Woher weißt Du das?“ 




„Das weiß doch jeder. Schau mich doch mal genau an, Du dummer Wasserfrosch. Ich bin gelbbräunlich. Richtig?" “Ja, stimmt." „Und Du bist grünlich. Richtig?"
„Ja, stimmt auch," antwortete der arme Wasserfrosch.
„Siehst Du! Grasfrösche sind meistens gelbbräunlich. Manche sind auch nur bräunlich. Es soll sogar schwarze Grasfrösche geben, aber nicht in unserem Revier. Das entscheidende aber sind die dunklen Schläfenflecke, die Du nicht hast,“ sagte der Grasfrosch.

Der Wasserfrosch schaute sein Spiegelbild an und schüttelte den Kopf. „Schau dort einmal hin." Der schlaue Grasfrosch zeigte auf die andere Seite des Teiches, und da staunte der Wasserfrosch nicht schlecht. Dutzende Grasfrösche waren hüpfend in den Teich gesprungen. „Siehst Du," sagte der Grasfrosch rasch, „das sind alles meine Freunde. Und es sind alles Grasfrösche." Der Wasserfrosch besah sich die Frösche genau. Sie hatten tatsächlich die vom Grasfrosch beschriebenen Farben und Schläfenflecke. „Alles Grasfrösche," wiederholte der Grasfrosch bestimmt, „und Du bist grün. Wasserfrösche sind grün." 




„Und die dahinten," fragte der Wasserfrosch und deutete auf die Wiese, wo er ein braunes, dickes Pärchen Frösche entdeckt hatte. Der Grasfrosch schaute zur gewiesenen Stelle.
„Die dicken da, meinst Du," fragte er. „Ja. Die sich so komisch bewegen, so als könnten sie nicht richtig hüpfen."  „Das sind Erdkröten. Ein paar von ihnen laichen auch hier. Es sind merkwürdige Gesellen. Sie sagen keinen Ton, und sie legen ihre Eier so komisch aus. Keine Laichballen, so wie wir, sondern Laichschnüre. Sieht ulkig aus."



„Grasfrösche, Erdkröten. Und ich bin also ein Wasserfrosch, sagtest Du," fragte der Wasserfrosch.
„Ja, ganz klar." „Und der einzige? Oder kommen noch andere zum Teich,“ fragte er leise. „Du bist der erste Wasserfrosch, den ich hier je gesehen habe. Und ich bin schon seit sechs Jahren an diesem Teich. Das kannst Du mir glauben," sagte der Grasfrosch.
Und der Wasserfrosch schaute den Grasfrosch traurig an. Dieser hatte Mitleid mit dem armen, einsamen Wasserfrosch. Und er fragte ihn schließlich: „Wie bist Du eigentlich in diesen Teich geraten?" „Das weiß ich nicht. Ich kann mich nicht erinnern."
Irgendwie war er im letzten Herbst in diesem Teich gelandet. Aber wie? Er konnte sich wirklich nicht daran erinnern. Er hatte sich sogleich in den Grund des Teiches eingegraben und war in die Kältestarre gefallen.
„Und wie heißt Du?“ „Was meinst Du damit?“ „Was, Du weißt nicht wie Du heißt," lachte der Grasfrosch lauthals, so dass andere Grasfrösche interessiert herüber schauten.
Betrübt starrte der arme Wasserfrosch auf seine kräftigen Füße.
„Entschuldige, bitte," sagte der Grasfrosch, „aber das habe ich ja noch nie gehört, dass ein großer Frosch wie Du keinen Namen hat." „Wer sollte mir einen Namen geben, wenn ich der einzige Wasserfrosch bin," fragte der Wasserfrosch traurig.
„Entschuldige," sagte der Grasfrosch noch einmal. Und er fuhr fort: „Zur Unterscheidung muss jeder Frosch einen eigenen Namen haben, weißt Du? Guck' mal, wieviel Grasfrösche jetzt hier am Teich sind. Wenn wir uns alle mit Frosch oder Grasfrosch ansprechen würden, wir würden total durcheinander geraten. Verstehst Du das?“
„Ja," sagte der Wasserfrosch noch trauriger. Nun waren noch andere Grasfrösche heran geschwommen. Und einer, der sich besonders witzig fand, fragte den Wasserfrosch überflüssigerweise: „Na, wie heißt Du?" „Ich," fragte der einsame Wasserfrosch vorsichtig und höflich. „Habt ihr das gehört," lachte der freche Grasfrosch, „er heißt Ich. Hahaha." Aber der Wasserfrosch fand das gar nicht lustig, und er fing an zu weinen. Die Grasfrösche fühlten sich nicht wohl, als sie das sahen.
„Ich, warum weinst du," fragte der freche Grasfrosch, dem es Spaß machte andere Frösche zu ärgern.
„Großmaul, halt deinen Mund,“ schnauzte der erste Grasfrosch, der sich für den Wasserfrosch verantwortlich fühlte, seinen Artgenossen an.
„Ich lass mir von Dir nicht den Mund verbieten," sagte dieser und tauchte entrüstet ab. 


„Siehst Du, Wasserfrosch, " sagte der nette Grasfrosch, „er heißt Großmaul. Ich heiße Fliegenfresser, es ist wohl kein schöner Name, aber er muss nicht unbedingt schön sein. „Aber zutreffend," sagte eine Grasfroschdame, die auf Fliegenfressers Bauch deutete. 


Die Grasfrösche lachten, auch Fliegenfresser lachte. „Und diese vorlaute, schöne Dame heißt Seerose nach dieser wunderschönen Wasserpflanze," sagte Fliegenfresser zum Wasserfrosch.
„Und diese da," fuhr er fort, „heißen Mückenschlucker, Blähbauch, Larvenjäger, Teichrose, Wasserfeder, und Grüngelbler, Großmaul -  kennst Du schon," Großmaul war gerade wieder aufgetaucht und schnappte nach einer dicken Fliege, „und die da hinten heißen Taucher, Turner, Hummelig und Hummeler, Meisterschwimmer - weil er der beste Schwimmer bei uns ist, Entenkraut, Wasserlinse und Libellenschnapper.“ „Angenehm," sagte der Wasserfrosch höflich. „Freunde, ich glaube, wir müssen unserem Wasserfrosch einen Namen geben," sagte Fliegenfresser. 

Die verschiedenen Frösche am Teich  






„Oh ja, bitte," sagte der Wasserfrosch freudig.


Die Grasfrösche waren begeistert, dass war mal eine Abwechslung in ihrem Teich. Und nach dem langen, harten Winter waren sie fröhlich einen Namen erfinden zu dürfen. Denn es war ihre große Leidenschaft. Jeder Grasfrosch, der sein erstes Lebensjahr hinter sich gebracht hatte und schon etwas größer war, und sich seinen Feinden - deren hatten die Frösche leider sehr viele - gewachsen gezeigt hatte, bekam von der Grasfroschgemeinschaft einen Namen, der zu ihm oder ihr passen sollte. Es war ein großes Fest für die Frösche. Und nun durften sie sogar einem Wasserfrosch einen Namen geben. Sie überlegten lange, so lange bis Fliegenfresser, der ihr Anführer war, schließlich fragte:
 „Was habt ihr für Vorschläge zu machen?“ „Grüner, Wassertreter, Grüngelber," wurde vorgeschlagen, aber die Namen gefielen nur wenigen. Der Wasserfrosch war aufgeregt.
„Ich bekomme einen Namen," dachte er, „oh, wie ist das schön." „Keine anderen Vorschläge," sagte Fliegenfresser auffordernd. „Wir kennen ihn doch noch nicht so. Wir wissen nicht, was er gerne isst, oder was er am besten kann," sagte Teichrose. 


„Du hast recht," entschuldigte sich Fliegenfresser, und zum Wasserfrosch gewandt, fragte er: „Na, sage uns schon, was isst Du am liebsten." „Mücken und dicke Libellenlarven." „Und was kannst Du am besten, oder besser gesagt, was machst Du am liebsten außer Essen natürlich." „Hier zwischen dem Entenkraut sitzen und in den Himmel gucken," sagte der Wasserfrosch. „Aber hier ist noch nie ein Reiher gewesen, da braucht man doch nicht andauernd in den Himmel zu starren,” sagte Wasserlinse. 


„Bist du ein Träumer," fragte Meisterschwimmer. „Wovon sollte ich träumen? Ich kenne nichts und weiß nichts,“ antwortete der Wasserfrosch traurig.


„Wir werden einen Namen für Dich finden," sagte Fliegenfresser, „überlegt, Freunde." Und die Grasfrösche strengten sich mächtig an. Schließlich meldete sich Taucher zu Wort: „Ich glaube einen schönen Namen für ihn gefunden zu haben. Nennen wir ihn doch einfach Himmelsgucker." „Ja, genau," schrieen die Grasfrösche durcheinander. 


„Himmelsgucker," murmelte der Wasserfrosch erfreut. „Ich habe einen Namen! Himmelsgucker," jubelte es in ihm. „Gefällt Dir der Name," fragte Fliegenfresser.
„Oh, ja. Er gefällt mir." „Gut, also abgemacht. Unser Wasserfrosch heißt von nun an Himmelsgucker." 



Der Wasserfrosch war glücklich. Er hatte einen Namen. “Himmelsgucker," murmelte er verzückt. „Himmelsgucker."

***

wird fortgesetzt

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Zur Einstimmung

Bei dem hier unter dem Pseudonym R.W. Aristoquakes virtuell zur Veröffentlichung gebrachten, mehr als einhundertfünfzigtausend Doppelverszeilen umfassenden und mit über 15.000 Zeichnungen versehenen Epos handelt es sich um die umfangreichste Nacherzählung des Homer zugeschriebenen Kriegsberichtes, die jemals niedergeschrieben wurde und nach Auffassung des Autors, um das wichtigste literarische Werk der Neuzeit überhaupt.

Unter dem oben abgedruckten Titel veröffentlicht der noch unbekannte Schriftsteller an dieser Stelle in den nächsten fünf Jahren sein als Fortsetzungeerzählung entstandenes Mammutmachwerk über den antiken Tierkrieg und dessen Folgen für die Menschheit.

Das über zweitausend Jahre alte homerische Epillion, das im Original nur etwa 300 Verszeilen umfasst, wurde von R.W. A., der zehn Jahre lang daran gearbeitet hat, zu einem Mammutwerk aufgebläht, das die Batrachomyomachia mit der Ilias und der Bibel verbindet.

Diese Verknüpfung der drei wichtigsten Werke der abendländischen Literatur, die in etwa zur gleichen Zeit entstanden sind, dient dem Autor dazu, seine religionsgeschichtliche These zu untermauern, in der er den Frosch als Ursprungsgottheit darstellt und behauptet, dass die Götter der Neuzeit nichts anderes sind als die konsequente Weiterentwicklung der ägyptischen Froschgötter.