Mittwoch, 11. September 2013

Batrachomyomachia

Machwerk R.W. Aristoquakes
Teil 21-1
Im Olymp

Wieder gab's, so wollt's der Brauch
Für die Geschichte Beifall auch.
Doch der hielt nicht sehr lange an
Denn Hermes war als nächster dran
Und drängelte voll Ungeduld
Sich bereits ans Rednerpult.
Er war sich seiner Sache schlüssig.
Von einem der des Lebens überdrüssig
Einst war, las er dem Götterkorps
Nun einen Froschgeschichte vor.


Der lebensmüde Frosch
- aus dem Estnischen von Helga Viira -

Der Frosch hockte mit finsterer Mine am Teich. Wütend vor sich hinmurmelnd, eilte ein Igel vorbei. Statt eines Grußes knurrte er:  "Leb wohl, Frosch! Ich ertränke mich."

"Leb wohl, ich wünsche gutes Gelingen!" quakte der Frosch. Der Igel plumpste ins Wasser, prustete und planschte, hustete eine Weile und kroch wieder ans Ufer.

"Einen schäbigen Teich hast Du" moserte er zornig, "einfach jämmerlich! Das Wasser ist kalt und man verschluckt sich. Versuche einer, sich im Pfuhl zu ertränken. Verboten solche Pfützen!"

Ärgerlich blickte der Frosch den Igel an und sprach: "Hättest mich erst fragen sollen, ob man sich hier überhaupt ertränken kann, du Narr. Ich hätte es dir gesagt. Aber gleich Hals über Kopf ins Wasser stürzen! In diesem Teich kann man sich nicht das Leben nehmen. Ich habe es mehrmals versucht. Meinst du, dass ich mich nicht längst selbst ertränkt hätte wenn es möglich wäre?"

"Aber warum willst du dich denn umbringen?" fragte der Igel.
"Warum, warum! Weil ich niemand gefalle. Jeder sagt "Puh, ein Frosch!"
Was ist das für ein Leben?! Doch sag, weshalb willst du sterben?"

"Weil niemand Angst vor mir hat, Stets heißt es: O was für ein liebes Igelchen, was für ein nettes Igelchen! Ich sträube zwar meine Stacheln und bubbere, aber darüber lacht man nur."

"Das ist schlimm" sagte der Frosch, "aber du musst es ertragen. Wir sollten versuchen, der Sache auf den Grund zu gehen."

Der Igel überlegte und meinte dann: "Einverstanden. Lass uns miteinander in die weite Welt wandern. Vielleicht findet sich jemand, dem du gefällst und der sich vor mir fürchtet."

Das taten sie dann auch und zogen von dannen. Sie gingen und gingen, bis sie eines Tages auf einer Wiese ein Kalb sahen.

"Hör mal, Kalb, gefalle ich dir?" fragte der Frosch.

Das Kalb ließ die Lefzen hängen, wackelte mit den Ohren und blökte: "Du gefällst mir überhaupt nicht. Mir macht es Spaß, mit anderen Kälbern um die Wette zu laufen, das gefällt mir."

"Hast du vor mir Angst?" fragte der Igel.

"Was sollte ich an dir fürchten?" fragte das Kalb zurück. "Ich habe Angst vor dem neuen Scheunentor, da wage ich mich nicht hinein. Jeden Abend gibt es deshalb Streit."

Enttäuscht gingen die beiden weiter. Nach einer Weile sahen sie unter einem Strauch ein paar nackte Füße. Das waren die Füße eines Faulpelzes, der unter dem Busch lag und schnarchte.

"Hallo, ihr Füße, gefalle ich euch?" fragte der Frosch.

"Was sollte uns an dir gefallen?" antworteten die Füße. "Wir liegen gern in der Sonne und bewegen unsere Zehen. Das ist eine Beschäftigung, die uns gefällt."

Dann fragte der Igel: "Habt ihr Angst vor mir?"

"Warum denn, wir sind an spitze Steine gewöhnt. Doch wenn man uns zwischen den Zehen kitzelt, ja, dann kriegen wir das Gruseln!"

Auf neue enttäuscht, setzten Igel und Frosch ihren Weg fort. Eines Tages erblickten sie eine Sonnenblume mit einem langen Stiel.

"Gefalle ich dir?" fragte der Frosch.

"Nein", antwortete die Sonnenblume und wandte ihm ihr rundes Antlitz zu, "mir gefällt es, der Sonne ins Auge zu schauen."

"Fürchtest du dich vor mir?" fragte der Igel.

"Weshalb?" Die Sonnenblume wunderte sich. "Was kannst du mir schon antun? Ich habe Angst vor den Sperlingen, die picken mir die Kerne aus. Ja vor denen fürchte ich mich sehr!"




Die Verstimmung der beiden Wanderer wuchs. Langsam wurde es Herbst.

"Machen wir den Winter über Pause und warten das Frühjahr ab", schlug der Frosch vor. Dann gehen wir aufs Neue los."

So kroch der Frosch tief in den Teichschlamm, der Igel aber begab sich in sein warmes Nest,
und sie hielten Winterschlaf.

An einem milden Frühlingsabend standen ein Mädchen und ein Bursche am Zaun, sie hüben und er drüben, und unterhielten sich. Die Sonne war untergegangen, rot glühte der Himmel im Westen. In der Luft schwebte der herbe Duft modrigen Laubes, weißer Nebel stieg vom Teich empor, aus dem das gedämpft Quaken der Frösche klang.

"Herrlich ist dieses Froschkonzert", sagte das Mädchen. "Für mich gehört es nun einmal zum Frühling. Gefällt es dir auch?" Der Bursch bejahte. Und beide schwiegen eine Weile.

"Aber was raschelt da?" flüsterte das Mädchen plötzlich erregt. "Mir wird unheimlich, ich fürchte mich. "Das ist ein Igel", entgegnete der Bursche, "Vor ihm braucht du keine Angst zu haben."

"Kann sein", meinte das Mädchen, "aber wenn es im Dunkeln so raschelt, da wird einem doch bange."

Frosch und Igel waren gerade auf der Suche nach einem Nachtlager und krochen im welken Laub umher. Sie hörten die Unterhaltung der jungen Leute und schwiegen. Dann flüsterte der Frosch: ""Leb wohl Igel! Ich habe also eine schöne Stimme, ich gehe zum Teich zurück."

"Geh nur!" antwortete der Igel,. Ich bleibe hier und spaziere abends durch die Büsche. Hier ist es gut zu sein."

Und so trennten sie sich.

Die Frühlingsnacht wurde immer dunkler. Es war warm und still, die Birken dufteten, und vom Teich her ertönte vielstimmiger Froschgesang, mild und beruhigend und zugleich aufregend wie der Frühling selbst. Vom Gartenwinkel her war leises Blätterrascheln zu hören....

wird fortgesetzt

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Zur Einstimmung

Bei dem hier unter dem Pseudonym R.W. Aristoquakes virtuell zur Veröffentlichung gebrachten, mehr als einhundertfünfzigtausend Doppelverszeilen umfassenden und mit über 15.000 Zeichnungen versehenen Epos handelt es sich um die umfangreichste Nacherzählung des Homer zugeschriebenen Kriegsberichtes, die jemals niedergeschrieben wurde und nach Auffassung des Autors, um das wichtigste literarische Werk der Neuzeit überhaupt.

Unter dem oben abgedruckten Titel veröffentlicht der noch unbekannte Schriftsteller an dieser Stelle in den nächsten fünf Jahren sein als Fortsetzungeerzählung entstandenes Mammutmachwerk über den antiken Tierkrieg und dessen Folgen für die Menschheit.

Das über zweitausend Jahre alte homerische Epillion, das im Original nur etwa 300 Verszeilen umfasst, wurde von R.W. A., der zehn Jahre lang daran gearbeitet hat, zu einem Mammutwerk aufgebläht, das die Batrachomyomachia mit der Ilias und der Bibel verbindet.

Diese Verknüpfung der drei wichtigsten Werke der abendländischen Literatur, die in etwa zur gleichen Zeit entstanden sind, dient dem Autor dazu, seine religionsgeschichtliche These zu untermauern, in der er den Frosch als Ursprungsgottheit darstellt und behauptet, dass die Götter der Neuzeit nichts anderes sind als die konsequente Weiterentwicklung der ägyptischen Froschgötter.