Machwerk
R.W. Aristoquakes
Teil 21-7
Märchenerzähler im Olymp
Beifallsgetöse im Milieu!
Für zwei Geschichten, doppelt laut!
Nachdem der Lärm war abgeflaut
Trug Apoll dem Götterkorps
Seine Lieblingsgeschichte vor;
"Hopp-Frosch" von Edgar Allan Poe.
Hopp-Frosch
Edgar Allan Poe
Ich habe
niemals jemand gekannt, der so sehr zu Scherz und Spaß aufgelegt war wie der
König; es war geradezu sein Lebenselement. Eine lustige Geschichte gut erzählen
– das war der sicherste Weg, sich bei ihm in Gunst zu setzen. So kam es, dass
seine sieben Minister alle dafür bekannt waren, vollendete Spaßmacher zu sein.
Sie glichen auch sonst dem König: sie waren nicht nur unvergleichliche
Witzbolde, sondern auch große, korpulente, fette Männer. Ob die Leute vom
Scherzen fett werden oder ob die Veranlagung zu Spaß und Scherz bei fetten
Leuten besonders stark entwickelt ist, habe ich nie ganz genau feststellen
können; Tatsache aber ist, dass ein magerer Spaßmacher ein seltener Vogel ist.
Aus den Feinheiten oder, wie er sagte, dem »Geist« des Witzes machte der König
sich wenig. Er bewunderte hauptsächlich die Breite eines Scherzes, und um
ihretwillen ließ er sich auch die Länge gefallen. Feinheiten langweilten ihn,
und alles in allem gefiel es ihm noch besser, einen Streich auszuführen, als
einen erzählt zu bekommen.
Zu der
Zeit, in der meine Geschichte spielt, waren berufsmäßige Spaßmacher bei Hofe
noch nicht ganz aus der Mode gekommen. Mehrere Mächte des
Kontinents hatten noch ihre Narren, in Narrenkleid und Schellenkappe, die zum
Dank für die Brosamen, die ihnen an des Königs Tische zufielen, stets zu Spott
und Witz bereit sein mussten.
Unser
König hatte selbstverständlich auch seinen Hofnarren. Tatsache ist, dass er ein
wenig Narrheit um sich brauchte – sei es auch nur als Gegengewicht gegen die
ungeheure Weisheit der sieben weisen Männer, seiner Minister – von ihm selbst
gar nicht zu reden.
Sein Narr
war jedoch nicht nur ein Narr. Sein Wert wurde in den Augen des Königs dadurch
verdreifacht, dass er außerdem ein Zwerg und ein Krüppel war. In jenen alten Tagen waren Zwerge am Hof nicht seltener als
Narren, und viele Herrscher hätten es schwer gefunden, die Tage hinzubringen –
und bei Hofe sind die Tage länger als sonst wo – ohne einen Spaßmacher, mit dem
sie lachen, und einen Zwerg, über den sie lachen konnten. Doch wie ich schon
bemerkte, sind in neunundneunzig von hundert Fällen die Witzbolde fett, rund
und schwerfällig, so dass unser König sich wirklich gratulieren konnte, in
Hopp-Frosch, das war des Narren Name, in einer Person einen dreifachen Schatz
zu besitzen.
Ich glaube
nicht, dass der Zwerg schon bei der Taufe den Namen Hopp-Frosch erhielt, er
verdankte ihn vielmehr dem weisen Rat der sieben Minister und seiner eigenen
Unfähigkeit, wie andere Menschen aufrecht einherzugehen. Hopp-Frosch konnte
sich nur mittels eines ganz absonderlichen Verfahrens vorwärts bewegen, es war
halb ein Sprung, halb ein schlängelndes Vorschleudern des Körpers, eine
Gangart, die allen bei Hofe unglaublichen Spaß machte und dem König ein rechter
Trost war, denn im Vergleich zu seinem Narren galt er selbst trotz seines
gewaltigen vorspringenden Bauches und seines mächtigen Wasserkopfes für einen
schön gebauten Mann.
Obgleich
Hopp-Frosch infolge seiner missgestalteten Beine sich nur mühsam und unter
Schmerzen vorwärts zu bewegen vermochte, so konnte er, wenn es sich ums
Klettern handelte, ganz Außergewöhnliches leisten. Die Natur
hatte ihn für die Unvollkommenheit seiner unteren Gliedmaßen mit einer
unerhörten Muskelkraft der Arme ausgestattet. Wenn er so auf Bäumen und an
Seilen herumkletterte, glich er eher einem Eichhörnchen oder einem kleinen
Affen als einem Frosch. Ich bin nicht imstande, mit Bestimmtheit anzugeben, aus
welchem Lande Hopp-Frosch stammte. Jedenfalls war es irgendeine unwirtliche
Gegend, von der niemand etwas wußte und weit entfernt vom Hofe unseres Königs.
Hopp-Frosch und ein junges Mädchen von fast ebenso zwerghafter Gestalt wie er
selbst – nur dass sie wohlproportioniert und eine wunderbare Tänzerin war –
waren aus ihrer Heimat gewaltsam in benachbarte Provinzen verschleppt worden,
von wo einer seiner stets siegreichen Generale sie dem König zum Geschenk
sandte.
Unter
solchen Umständen ist es nicht verwunderlich, dass zwischen den beiden kleinen
Gefangenen eine innige Freundschaft erwuchs. Hopp-Frosch, der trotz seiner
Kurzweiligkeit keineswegs beliebt war, war nicht in der Lage, Tripetta große
Dienste erweisen zu können; sie aber wurde trotz ihrer Zwergengestalt, dank
einer seltenen Anmut und Lieblichkeit allgemein verehrt und verhätschelt; sie
hatte also eine große Macht und versäumte nie, sich ihrer, sobald es Not tat,
zugunsten von Hopp-Frosch zu bedienen.
Anläßlich
irgendeines großen Staatsereignisses – was es war, habe ich vergessen – hatte
der König beschlossen, ein Maskenfest zu geben, und wann
immer ein Maskenfest oder dergleichen an unserem Hofe stattfinden sollte, rief
man die Talente Hopp-Froschs und Tripettas zu Hilfe. Denn der Zwerg war so
erfinderisch in der Zusammenstellung von Festaufzügen und wusste so prächtige
Masken zu ersinnen, dass es war, als sei ohne ihn nichts zu machen.
Die
Festnacht war gekommen. Eine glänzende Halle war unter Tripettas Aufsicht mit
allem ausgeschmückt worden, was geeignet schien, einen stimmungsvollen
Hintergrund für ein Maskenfest zu schaffen. Der ganze Hof war in fieberhafter
Erwartung. Was die Wahl der Masken und Kostüme anlangte, so hatten viele schon
Wochen ja Monate vorher beschlossen, welche Rolle sie zu spielen gedachten, und
wirklich gab es auch keine Unentschlossenheit mehr – ausgenommen beim König und
seinen sieben Ministern. Warum gerade sie noch zögerten, wüsste ich nicht zu
sagen, es sei denn, weil ihnen dies spaßhaft vorkam. Wahrscheinlich ist, dass
es ihnen schwer fiel, für ihre fetten Gestalten eine passende Verkleidung zu
finden. Kurzum, die Zeit entfloh, und als letzte Rettung ließen sie Tripetta
und Hopp-Frosch rufen.
Als die
beiden kleinen Freunde kamen, fanden sie den König mit den sieben Mitgliedern
seines Kabinettsrates beim Weine sitzen. Aber der Herrscher schien übler Laune zu
sein. Er wusste, dass Hopp-Frosch den Wein nicht liebte, da das Trinken stets
den armen Krüppel bis zum Wahnsinn aufregte, und Wahnsinn
ist kein angenehmer Zustand. Aber dem König, der es liebte, jemand einen
Schabernack zu spielen, machte es Spaß, Hopp-Frosch zum Trinken zu zwingen und
ihn – wie der König es nannte – lustig zu machen.
»Komm her,
Hopp-Frosch«, sagte er, als der Spaßmacher und seine kleine Gefährtin ins
Zimmer traten. »Leere diesen Becher auf die Gesundheit deiner fernen Freunde –
hier seufzte Hopp-Frosch – und dann begnade uns mit deiner Erfindungsgabe. Wir
brauchen Rollen, Rollen, Mann, irgend etwas Neues, noch nicht Da gewesenes! Wir
haben das ewige Einerlei satt. Komm, trink! Der Wein wird dich erleuchten.« Hopp-Frosch versuchte wie immer so auch diesmal des Königs
wohlwollende Ansprache mit einem Scherz zu beantworten, aber die Anstrengung
war zu groß. Gerade heute nämlich war des armen Zwerges Geburtstag, und der
Befehl, seinen »abwesenden Freunden« zuzutrinken, zwang ihm Tränen in die
Augen. Große und bittere Tropfen fielen in den Kelch, den er demütig aus der
Hand des Tyrannen entgegennahm.
»Ah! Ha!
ha! ha!« grölte letzterer, als der Zwerg den Becher widerwillig leerte. »Seht,
was so ein Glas guten Weins vermag! Wahrhaftig, deine Augen glänzen schon!«
Armer
Kerl! Seine großen Augen glänzten nicht nur, sie glühten, denn auf sein leicht
erregbares Hirn hatte der Wein nicht nur eine gewaltige, sondern auch eine
augenblickliche Wirkung. Er stellte den Becher mit bebender Hand auf den Tisch
und sah sich mit halb irrsinnigen Blicken in der Gesellschaft um. Alle
Anwesenden hatten ihre Freude an dem sichtlichen Erfolg des königlichen
»Scherzes«.
»Und jetzt
an die Arbeit!« sagte der Premierminister, ein sehr fetter Mann.
»Ja«,
sagte der König. »Komm, Hopp-Frosch, leihe uns deinen Beistand.
Charakterrollen, mein hübscher Junge! Es mangelt uns an Charakteren, uns allen,
ha! ha! ha!« Und da diese Äußerung offenbar scherzhaft gemeint war, stimmten
seine sieben Minister in sein Lachen mit ein.
Hopp-Frosch lachte auch – aber nicht sehr herzhaft.
»Vorwärts,
vorwärts«, sagte der König ungeduldig, »kannst du uns keinen Vorschlag machen?«
»Ich bin
bemüht, etwas Neues zu ersinnen«, antwortete der Zwerg zerstreut, denn er war
trunken vom Wein. »Bemüht!« schrie der Tyrann wütend. »Was meinst du damit? Ah,
ich sehe, du bist missgestimmt und brauchst noch mehr Wein. Hier trink!«
Und er
goss einen zweiten Becher voll und bot ihn dem Krüppel, der nach Atem rang und
sich nicht rührte.
»Trink,
sage ich!« brüllte der Unhold. »Oder beim Teufel –«
Der Zwerg
zögerte. Der König wurde purpurrot vor Zorn. Die Höflinge schmunzelten.
Tripetta näherte sich leichenblass dem König, warf sich vor
ihm auf die Knie und beschwor ihn, ihren Freund zu schonen.
Der Tyrann
war von ihrer Kühnheit verblüfft. Einen Augenblick sah er sie verwundert an. Er
schien in großer Verlegenheit; – was sollte er tun, was sagen, wie seinem Zorn
Luft machen? Endlich stieß er sie wortlos zurück und schüttete ihr den ganzen
Inhalt seines Bechers ins Gesicht.
Das arme
Mädchen erhob sich wankend und nahm, ohne auch nur einen Seufzer zu wagen,
ihren Platz am Fuße des Tisches wieder ein.
Eine halbe
Minute lang herrschte Totenstille, man hätte ein Blatt zu Boden fallen hören
können. Da tönte in das Schweigen ein sehr leiser, doch scharfer und
anhaltender knirschender Ton, der zu gleicher Zeit aus allen Ecken des Raumes
hervorzuknarren schien.
»Warum –
warum – warum, sage ich, machst du dieses Geräusch?« wandte sich der König an
den Zwerg.
Letzterer
schien sich von seiner Betrunkenheit ganz erholt zu haben; er sah dem König
scharf, doch ruhig ins Gesicht und sagte nur:
»Ich –
ich? Wie könnte ich das getan haben?«
»Der Laut
schien von außen hereinzudringen«, bemerkte einer der Höflinge. »Vermutlich war
es der Papagei dort am Fenster der seinen Schnabel an den Gitterstäben des
Käfigs wetzte.«
»Möglich«,
erwiderte der Herrscher und atmete befreit auf, »doch bei meinem Ritterwort,
ich hätte schwören mögen, dass es das Zähneknirschen des
Schurken hier war.«
Jetzt
lachte der Zwerg – der König war ein zu eingefleischter Spaßmacher, als dass er
irgendeinem das Lachen verübelt hätte – und enthüllte zwei Reihen großer,
kräftiger, abstoßend wirkender Zähne. Überdies gab er seine völlige
Bereitwilligkeit zu erkennen, so viel Wein zu schlucken, als man nur wünsche.
Der König war befriedigt. Und nachdem Hopp-Frosch ohne scheinbar üble Wirkung
einen weiteren Becher geleert hatte, begann er sogleich und mit Eifer sich für
die geplante Maskerade zu interessieren.
»Ich kann
nicht sagen, wie die Ideenverbindung mir kam«, bemerkte er so ruhig, als habe
er nie in seinem Leben einen Schluck Wein über die Lippen gebracht. »Aber
gerade nachdem Eure Majestät das Mädchen fort gestoßen und ihr den Wein
ins Gesicht geschüttet hatten – gerade nachdem Eure Majestät das getan
hatten und während der Papagei draußen am Fenster das seltsame Geräusch
vollführte, kam mir ein köstlicher Spaß in den Sinn, einer der lustigen
Streiche aus meiner Heimat und bei unsern Maskenfesten sehr beliebt. Hier aber
wird er sicherlich ganz neu sein. Leider jedoch gehören dazu genau acht
Personen, und –« »Sind wir ja!«, rief der König und lachte über seine rasche
Entdeckung der Zahlenübereinstimmung. »Genau acht Mann, ich und meine sieben
Minister. Vorwärts! Erzähle uns deinen Streich!«
»Wir nennen ihn«, erwiderte der Krüppel, »die acht zusammengeketteten
Orang-Utans, und gut ausgeführt ist er wirklich von großartiger Wirkung.«
»Wir
wollen ihn ausführen«, bemerkte der König und stand mit schweren Augenliedern
auf.
»Der Hauptwitz
des Spiels liegt in dem Entsetzen, das es bei den Frauen verursacht«, fuhr
Hopp-Frosch fort. »Ausgezeichnet!« grölten der Monarch und seine Minister im
Chor.
»Ich werde
Sie also als Orang-Utans einkleiden«, sprach der Zwerg weiter. »Überlassen Sie
alles mir. Die Ähnlichkeit wird so verblüffend sein, dass die ganze
Maskengesellschaft sie für wirkliche Tiere halten wird – und natürlich wird man
ebenso entsetzt wie erstaunt sein.«
»Oh, das
ist herrlich!« rief der König. »Hopp-Frosch! Aus dir will ich noch einen Mann
machen!«
»Die
Ketten dienen dazu, durch ihr Klirren die Verwirrung zu erhöhen. Es muß so
scheinen, als seien Sie alle Ihren Wächtern entronnen.
Eure
Majestät können sich gar nicht vorstellen, wie wirkungsvoll bei solch einer
Maskerade acht zusammengekettete Orang-Utans sein müssen, da die meisten der
Gesellschaft Sie für wirkliche Bestien halten werden, wenn Sie mit wildem
Geschrei mitten zwischen all die prächtig und lieblich gekleideten Männer und
Frauen hineinrasen. Der Gegensatz wird unbeschreiblich sein.«
»Das machen wir unbedingt«, sagte der König. Und der versammelte Rat
löste sich auf, denn es war schon spät, und man musste sich beeilen, den Plan
Hopp-Froschs zur Ausführung zu bringen.
Sein
Verfahren, den König und seine Vertrauten in Orang-Utans zu verkleiden, war
einfach, aber für seine Zwecke wirkungsvoll genug. Diese Tiere waren zu der
Zeit, in der meine Geschichte spielt, in der zivilisierten Welt noch kaum
gesehen worden. Und da die von dem Zwerg vorgenommene Verkleidung wahrhaft scheußlich
und bestienhaft aussah, so war der Erfolg der Täuschung gesichert.
Der König
und seine Minister wurden zunächst in eng anliegende, braune wollene Hemden und
Unterhosen gesteckt. Dann wurden diese mit Teer getränkt. Jetzt schlug einer
Federn vor. Aber der Zwerg verwarf diesen Vorschlag und überzeugte die acht,
dass das Fell eines Orang-Utans weit naturgetreuer durch Flachs dargestellt
werden könne. Eine dicke Schicht davon wurde nun auf die Teerschicht
festgedrückt. Dann brachte man eine lange Kette herbei. Sie wurde zuerst dem
König um den Leib gelegt und festgeknotet, mit den sieben andern
Teilnehmern wurde genau so verfahren. Als alle derart angekettet und so weit
als möglich voneinander entfernt aufgestellt waren, bildeten sie einen Kreis;
und um das Ganze recht naturgetreu erscheinen zu lassen, zog der Zwerg den Rest
der Kette zweimal diametral durch den Kreis. Es war ganz
die Art, in der noch heutzutage auf Borneo große Affen zusammengekoppelt
werden.
Der weite
Saal, in dem das Maskenfest stattfinden sollte, war ein kreisrunder, sehr hoher
Raum, der sein Licht durch ein einziges Fenster im Mittelpunkt der
Deckenwölbung erhielt. Bei Nacht – und besonders für solche Feste war der Saal
bestimmt – empfing er sein Licht von einem großen Kronleuchter, der an einer
Kette von der Mitte des Kuppelfensters hernieder hing. Wie üblich konnte er
mittels eines Gegengewichtes herabgelassen und wieder hinaufgezogen werden,
doch hatte man dies aus Schönheitsgründen außerhalb der
Kuppel über das Dach hinweggeführt. Die Ausschmückung des Festgemachs wurde
Tripettas Oberaufsicht überlassen; in einigen Dingen jedoch hatte sie sich der
überlegenen Umsicht ihres Freundes, des Zwerges, gefügt. Seinem Rate folgend
hatte man für diese Gelegenheit den Kronleuchter entfernt. Die Wachstropfen,
die nicht zu vermeiden gewesen wären, würden der kostbaren Gewandung der Gäste
sehr geschadet haben, andererseits aber konnten in einem überfüllten Raume
nicht alle Leute die Mitte, also den Platz unter dem Kronleuchter, meiden.
Dafür wurden aber zahlreiche Kandelaber ringsum an den Wänden der Halle
aufgestellt und jeder der fünfzig bis sechzig Karyatiden eine Wohlgeruch
spendende Fackel in die rechte Hand gegeben.
Die acht
Orang-Utans warteten auf Hopp-Froschs Rat mit ihrem Erscheinen geduldig bis
zwölf Uhr, bis der Saal von Masken gedrängt voll sein würde. Kaum jedoch war
der letzte Schlag der Mitternachtsstunde verhallt, als sie hineinstürmten,
vielmehr rollten, denn die hindernden Ketten rissen die meisten von ihnen zu
Boden, und wer nicht fiel, stolperte.
Das
Entsetzen der Maskengesellschaft war ungeheuer und erfüllte das Herz des Königs
mit Entzücken. Wie man vorausgesehen hatte, gab es unter den Gästen nicht
wenige, die diese grimmig aussehenden Wesen, wenn auch nicht gerade für Orang-Utans,
so doch für wilde Bestien hielten.
Viele der Frauen wurden ohnmächtig vor Schreck, und wäre der König
nicht so vorsichtig gewesen, das Waffentragen für diesen Abend zu verbieten, so
hätten er und seine Gefährten den Schabernack wohl mit ihrem Blute büßen
müssen. So aber trachteten alle nach den Türen. Der König hatte jedoch Befehl
gegeben, sie gleich nach dem Eintritt der Affenbande abzuschließen, und einer
Anregung des Zwerges gemäß, hatte man diesem selbst die Schlüssel ausgeliefert.
Als der
Tumult aufs höchste gestiegen und jeder Gast nur auf seine
eigene Rettung bedacht war – denn das Gedränge war inzwischen lebensgefährlich
geworden – hätte man sehen können, wie die Kette, die sonst den Kronleuchter
trug und nach dessen Entfernung hinaufgezogen worden war, sich allmählich
herabsenkte, bis ihr Haken nur noch drei Fuß überm Erdboden hing. Bald darauf
geschah es, dass der König und seine sieben Freunde, nachdem sie den Saal nach
allen Richtungen durchtaumelt hatten, sich schließlich in dessen Mittelpunkt
und unmittelbar unter der Kette befanden. Als sie so standen, ergriff der
Zwerg, der ihnen auf Schritt und Tritt gefolgt war und sie zu immer wilderem
Gebaren angefeuert hatte, die Kette, an die sie gefesselt waren, genau an der
Stelle, wo die beiden Diametrallinien zusammentrafen. Blitzschnell hängte er
hier in das Mittelglied den Kronleuchterhaken ein, und augenblicklich wurde
durch eine unsichtbare Kraft die Kette so hoch hinaufgezogen, dass der Haken
nicht mehr erreichbar war. Diese Aufwärtsbewegung riss die Orang-Utans ganz
nahe zusammen; sie standen Gesicht an Gesicht gedrängt.
Inzwischen
hatten die Maskengäste sich von ihrer Verblüffung erholt; sie begannen das
Ganze als einen wohl vorbereiteten Scherz anzusehen und brachen über die
sonderbare Situation der Affen in lautes Gelächter aus.
Ȇberlasst
sie mir!«, kreischte jetzt Hopp-Frosch, mit seiner schrillen Stimme den ganzen
Lärm übertönend. »Überlasst Sie mir! Ich glaube ich kenne
sie. Wenn ich sie mir nur einmal recht anschauen könnte, ich würde euch gleich
sagen, wer sie sind!«
Und über
die Köpfe der Menge hinweg kriechend, gelangte er zur Saalwand, nahm einer der
Karyatiden die Fackel aus der Hand, kehrte auf demselben Wege wie vorher in die
Mitte zurück und sprang mit Affengeschwindigkeit dem König auf den Kopf und
kletterte von da an der Kette hinauf. Ein paar Fuß über den Orang-Utans senkte
er seine Fackel, leuchtete ihnen ins Antlitz und schrie von neuem: »Ich werde
bald heraushaben, wer sie sind!«
Und jetzt,
während alle Anwesenden – die Affen mit einbegriffen – sich vor Lachen
schüttelten, ließ der Spaßmacher einen schrillen Pfiff ertönen. Die Kette flog
etwa dreißig Fuß empor und zog die bestürzten und um sich schlagenden
Orang-Utans mit; da hingen sie nun zappelnd genau in halber Höhe des Saales.
Hopp-Frosch, der sich an die Kette festgeklammert hatte, verharrte noch in
derselben Stellung wie vorher. So als sei nichts geschehen, senkte er seine
Fackel zu ihnen hinunter, als bemühe er sich, festzustellen wer sie seien.
So völlig
verblüfft war man von diesem plötzlichen Aufstieg, dass wohl eine Minute lang
Todesstille herrschte. Da ertönte wieder das leise, scharfe, knirschende
Geräusch, das dem König, als er Tripetta den Wein ins Gesicht schüttete,
aufgefallen war. Jetzt aber konnte kein Zweifel darüber
sein, wo der Laut herkam. Er kam von den Raubtierzähnen des Zwerges, es war ein
Knirschen aus seinem schäumenden Mund. Sein Blick flammte mit dem Ausdruck
wahnsinniger Wut in die aufwärts gewendeten Gesichter des Königs und seiner
sieben Gefährten.
»Aha!«
sagte der Spaßmacher. »Aha! Ich fange an zu begreifen, wer diese Leute sind!«
Und wie um den König heller zu beleuchten, näherte er die Fackel dem Pelz, in
dem jener steckte, so dass der Flachs augenblicklich in heller Garbe
aufflammte. In weniger als einer halben Minute brannten die acht Orang-Utans
lichterloh. Und drunten kreischte die entsetzte Menge und starrte wie gebannt
zu den flammenden Körpern empor, denen sie keine Hilfe bringen konnte.
Endlich
wurden die aufwärts leckenden Flammen so stark, dass der Narr, um ihnen auszuweichen,
höher hinaufklettern musste, und diese Bewegung machte die Menge einen
Augenblick lang stumm. Der Zwerg ergriff die Gelegenheit und sprach noch
einmal.
»Jetzt
sehe ich deutlich«, sagte er, »welcher Art Leute diese Maskierten sind.
Es ist ein großer König mit seinen sieben Ministern, ein König, der sich kein
Gewissen daraus macht, ein wehrloses Mädchen zu schlagen, und seine sieben
Berater, die seiner schmachvollen Tat Vorschub leisten. Was mich anbetrifft, so
bin ich nur Hopp-Frosch, der Spaßmacher, und das ist mein letzter Spaß.«
Infolge der hohen Brennbarkeit sowohl des Flachses wie des Teers war
das Rachewerk schon vollbracht, als der Zwerg seine kurze Rede kaum beendet
hatte. Die acht Leichname schaukelten in ihren Ketten – eine stinkende,
geschwärzte, ekelhafte, unkenntliche Masse. Der Krüppel schleuderte seine Fackel
auf sie herab, kletterte behände bis zur Decke empor und verschwand durch das
Kuppelfenster.
Es ist
anzunehmen, dass Tripetta auf dem Dach des Kuppelsaales stand, ihrem Freund bei
seinem schauerlichen Racheakt Beihilfe leistete und dass sie zusammen ihre
Flucht in ihr Heimatland bewerkstelligten. Beide wurden nie mehr gesehen.
|
Zeichnung: James Ensor |
***
"Ja aber was hat die Geschichte nun
Außer mit ihrem Namen
Denn mit unserm Frosch zu tun"
Wollte eine von den Damen,
Es war Latona, gar gerissen,
Von ihrem Sohn Apollo wissen.
"Es ist," sprach der, "das alte Lied;
Die Dummheit ist das Bindeglied.
So wie einst die dummen Bauern
In Lykien hatten kein Bedauern
Mit dir, Artemis und mit mir
So beschrieb es Poe uns hier.
Der König hatte mit dem armen
Krüppel Hopp-Frosch kein Erbarmen
Und setzte ihm gar übel zu.
Es kam so wie es kommen muss.
Die Strafe folgte auf den Fuß.
Hopp-Frosch machte es wie du!
Du erinnerst sicher doch
Dich an die dreisten Bauern noch
Die uns kein Wasser gaben
Sondern schändlich und verrucht
Uns den Trunk verdorben haben.
Du hast sie allesamt verflucht
Sodass seitdem als Frösche sie
Fristen ihr Leben irgendwie."
"Ach ja, jetzt verstehe ich!"
Entschuldigte Latona sich,
Mit ein wenig Scham im Ton,
Bei Apollo ihrem Sohn.
****
wird fortgesetzt
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