Machwerk R.W. Aristoquakes
Teil 8 – 69
Missglückter Brückenschlag
Troxartes der Mäusekönig noch
Fern der Front, im königlichen Loch
Sich mit der Generalität beriet,
Lag verschanzt im Grenzgebiet
Zu König Pausbacks Königsreich
Das Mäuseheer am Froschreichdeich
Gestoppt im Vormarsch durch die See
Die hinter diesem Walle lag.
Der Führer der dritten Mausarmee
Generalfeldmarschall von Nagezag
War mit seinem Kriegslatein
Am Ende. Ihm fiel nichts mehr ein.
„Ohne die Marine kommen wir
Das steht fest, nicht weiter hier“
Gab er mit verkniff‘nem Mund
Seinen Einheitsführern kund.
„Hätten das Schwimmen wir beizeiten
Gelernt auch nebst dem Grabenkrieg
Dann gäb‘ es keine Schwierigkeiten
Doch so wird schwer für uns der Sieg“.
Entmutigt und jeder Hoffnung bar
Warf den Marschallstab er lapidar
Indem er schrie „ich kann nicht mehr“
Ins Wasser und sprang hinterher.
Die ganze Mausarmee sah zu
Wie er unterging im Nu.
Es hat Sekunden nur gedauert.
Keiner hat ihm nachgetrauert.
„Um die Frosch-Armee zu schlagen
Sollten wir `nen Angriff wagen“
Schlug Potz Ratz vom dritten Korps
Dem General von Brandmaus vor,
Der bevor ein andrer kam
Das Kommando übernahm.
„Es muss uns irgendwie gelingen
Auf Pausbacks Insel vorzudringen.
Dort liegt im See die Machtzentrale
Von wo die grünen Generale
Ihre Truppen dirigieren.
Wenn wir dort drüben einmarschieren
Um ihre Festung zu erstürmen,
Werden sie ins Wasser türmen
Und uns die Insel überlassen.
Wenn wir dabei den König fassen,
Haben wir das Unterpfand
Für den Sieg in unsrer Hand“.
Der General war angetan
Von Potz Ratzes Vorschlag: „Mach `nen Plan“
Befahl er, seine Augen glommen;
„Wie wir am besten rüber kommen.
Du weißt, wir können nicht gut schwimmen,
Und wie das Ufer wir erklimmen
Damit sie uns nicht bombardieren
Während wir an Land marschieren.
Ersinn uns eine Strategie
Die noch besser ist als die
Damals in der Normandie,
Als dem Gröfaz sie das Fürchten lehrten
Und seinem Tun ein End bescherten.
Denk nach dann findest du das Wie“.
Potz Ratz dacht nach; gleich fiel’s ihm ein.
„Ein Schilfhalm kann uns hilfreich sein.
Wenn wie ihn geschickt abnagen
Fällt er hinüber nach Froschhausen.
Er ist stabil, er wird uns tragen.
Wenn wir darauf hinübersausen
Und drüben gleich in Stellung gehen
Wird uns beim Landen nichts geschehen“.
Gesagt, getan, wie vorgeschlagen
Wurde der Angriff vorgetragen.
Nachdem der Brückenschlag gelang
Nahm alles den geplanten Gang.
Zug um Zug und Korps um Korps
Rückte die Armee nun vor.
Die Brücke hielt den Truppen stand.
Fuß um Fuß und Hand um Hand
Marschierten und hangelten die Recken
Sich nun vor am Schilfrohrstecken
Um drüben, schleichend dann wie Schemen
Pausbacks Insel einzunehmen
Und die Frösche zu verjagen
Oder sie all zu erschlagen.
Doch es sollte anders kommen
Als man es sich vorgenommen.
Als die achte Maus-Brigade
Auf der Brücke war gerade
Brach der Schilfhalm: Ach Herrje!
Die Mäuse stürzten in den See.
Zu tausenden sind sie ersoffen.
Der General zutiefst betroffen
Schrie zornig: „Adju, auf der Stell,
Schaff‘ Potz Ratz her zum Apell“.
Der Adju grinste breit und scheel
Und gab sogleich den Suchbefehl,
Innerlich gelöst und heiter
An zwei graue Landser weiter:
„Hört gut zu“ sprach er „ihr zwei;
Schafft Potz Ratz schleunigst herbei.
Der Alte möchte ihm etwas sagen
In Sachen Technik/Brückenschlagen.
Wenn ihr ihn habt, gebt mir Bericht!
Ich glaub er kommt vors Kriegsgericht“:
Während die beiden wie befohlen
Eilten den Offizier zu holen
Um ihn zum Apell zu bitten,
Hat manche Maus den Tod erlitten.
Die fünfte Mäuse-Division
War komplett ertrunken schon.
Von der vierten schwammen noch
Ein paar im See. Die Retter jedoch,
Obgleich sie gern geholfen hätten,
Konnten wenige nur retten.
Zu Tausenden die Kameraden
Stürzten ins Wasser und gingen baden.
Zu retten was zu retten war
Hieß die Parole: Nur ein paar
Wurden aus des Teiches Wogen
Lebend noch an Land gezogen.
Die andern hatten Pech; am Schluss
Blieb ihnen nur der Exitus.
Gut die Hälfte der Armee
Ist ersoffen so im See.
Noch niemals, das ist unbestritten,
Hatte Verluste man erlitten
So umfangreich wie dieses Mal.
Die Lage war katastrophal.
Nusskernschlemmer hatte Glück.
Vom Ufer noch entfernt ein Stück
Warf ihm, bevor er unterging,
Der Freund sein Mauseschwänzchen zu
Welches mit flinker Hand er fing.
„Oh mein Freund ich dank dir, du
Hast mich errettet aus der Not.
Ohn‘ dich wär ich jetzt mausetot.
Ohne dich trieb meine Leiche
Jetzt so im Unterwasserreiche
Wie die vom Prinzen Krümeldieb
Von Pausback ermordet kürzlich, trieb“.
„Poseidon wollte dich noch nicht“
Sprach mit lachendem Gesicht
Mausolus und fügte an:
„Du weißt, das hab ich gern getan.
Du hast dort unten nichts verloren“.
„Meine Seele würde schon im Hades schmoren“
Sprach darauf die nasse Maus
Und spuckte all das Wasser aus
Welches in sie, ohn‘ es zu saufen,
War einfach so hineingelaufen.
Dann schüttelte sie kurz und schnell
Wie ein nasser Hund ihr Fell
Indem erschöpft zum Freund sie sprach:
„Ersaufen ist ein Ungemach
Das nicht weh tut. Solch ein Tod
Ist angenehm und recht kommod“.
Und dann mit neuem Lebensmut
Fuhr sie fort: „Nicht einmal Blut
Fließt wenn man langsam aber stet
Absäuft und zu Grunde geht.
Obgleich mein Leben war bedroht
Und ich in allergrößter Not
Während des Ertrinkens war
Hatte Reiz auch die Gefahr
Dass man dabei zu Tod könnt kommen.
Was man empfindet transzendent,
Sterbend im nassen Element“,
Fuhr sie fort noch halb benommen,
„Ist, obgleich es ein Problem,
Irgendwie ganz angenehm.
Was ich erlebte; stell dir vor“,
So sprach sie weiter mit Humor:
„Im Sterbenskampf, dem Tode nah,
Mein Leben ich noch einmal sah.
Gleich einem vertonten Bilderbogen
Ist es an mir vorbeigezogen.
Alles, so als könnt ich‘s greifen
Enthielt im Schnelldurchlauf der Streifen.
Meine liebe Frau Mama
Und den seel’gen Herrn Papa,
Die Geschwister, Freunde alle
Meine Lieben waren da.
Auch die graus’ge Mausefalle
Die mich erschlagen hätt beinah,
Dieses Eisengitterding
Mit dem das Manntier mich einst fing
Sah ich detailgetreu vor mir.
Sogar der Speck, ich sag es dir,
Lag noch darin; ich weiß es noch
Genau wie lecker dieser roch.
Und noch manch and’re Episode
Aus meiner Sturm-und Drangperiode
Durfte ich gerade eben
Im Wasser noch einmal erleben.
Was mein geistiges Auge sah
Sah es, als ob es just geschah.
Die Schulzeit, ach wie war sie lang.
Zum Traualtar der schwere Gang.
Der erste Tag beim Militär.
Mir war‘s als ob es heute wär;
Die Kindheit, die Jugend, Mausi gar
Die meine erste Liebe war,
Zogen, als wären sie real
Alle an mir vorbei nochmal.
Die Kinder und auch meine Frau
Sah ich vor mir haargenau.
Sie beweinten allerseits
Meinen frühen Tod bereits.
Ach was haben sie geflennt.
Ich sah wie sie mein Grab bereiten
Und tags darauf um‘s Erbe streiten.
Zum Schluss, ich sah bereits das End‘,
Erschien ein Bild; das ging mir nah
Und an die Nieren. Was ich sah.
Im Nachhinein wird mir nun klar,
Dass es wohl ein Trugbild war!
Ich stand im Hades vor dem Throne.
Auf Ihm nebst Hades Persephone.
Sie fragte mich weshalb ich käme
Und woher ich denn die Frechheit nähme
Nach einen Freiplatz dort zu fragen.
„Ins Elysium willst Du? Nein, nein,
Da kommt `ne Maus wie du nicht rein.
Nur wahre Helden haben dort
Zugang“ und dann fuhr sie fort:
"Die homerischen Heroen
Würden mit Kündigung uns drohen.
Sie wollen so ein Milchgesicht
Wie dich in ihrer Nähe nicht"!
"Sag uns wie viele in der Schlacht
Du am Teich hast umgebracht“
Wollte darauf dienstbeflissen
Des Herrschers Göttergattin wissen.
„Wer hundert hat und mehr erschlagen
Der kann mal nach `nem Platz anfragen.
Doch Feiglinge welche beim Baden
Ersoffen sind, sind nicht geladen.
Schließlich ist das Elysium
Gedacht für Helden, die sich Ruhm
Im Krieg durch Tapferkeit erwarben
Und für ihre Völker kämpfend starben.
Du scheinst mir bist ein Tunichtgut.
Nicht einen einzigen Tropen Blut
Hast du verloren in der Schlacht.
Du hast dich wohl stets dünn gemacht.
Dir fehlt kein Bein, dein Fell ist heil;
Dein Schwanz sitzt fest am Hinterteil;
Auch von deinen beiden Ohren
Hast du kein einziges verloren;
Weder Brandfleck, Schramme oder Wunde;
Nur Wasser das aus deinem Munde
Herausströmt wie aus einer Quelle;
Du warst im Krieg wohl allzu helle
Und hast dich vorm Kampfe stets gedrückt.
Bei Zeus, ich wäre ja verrückt
Würde ich Einlass dir gewähren
Dir Nichtsnutz ins Elysium.
Man muss sich erst im Krieg bewähren
Bevor man das Refugium
Der unsterblichen Helden dann
Hier in Anspruch nehmen kann.
Du solltest dich was schämen;
Wenn wir hier unten alle nähmen
Die wie du im Krieg gerissen
Vor dem Töten sich verpissen,
Dann wär’s hier in der Unterwelt
Wahrlich schlecht um uns bestellt“.
Und dann folgte noch ein Satz
Der mir den Rest gegeben hat.
„Für Feiglinge ist hier kein Platz“!
„Der Hades ist der rechte Ort
Für dich“ fuhr grinsend dann ihr Gatte fort,
„Und nicht das sonnendurchstrahlte Elysium“!
Persephone lachte: „Ebend’rum,
Dort kannst du vor den Toren
Zum Jenseits erst mal schmoren.
Vielleicht am Ende aller Zeit
Vor dem Beginn der Ewigkeit….“
„Mein lieber Mann“, sprach Mausolus,
Und unterbrach den Redefluss
Des Freundes kurz. „In Anbetracht
Dessen was du hast durchgemacht,
Kannst du froh sein, dass du hier
Auf Erden wieder bist bei mir
Und in den Krieg, wenn es gediehen
Kannst gesund du wieder ziehen“!
Nusskernschlemmer im Bericht
Fuhr weiter fort. „Du glaubst es nicht“
Sprach er, „was ich dem Tode nah,
Im Wasser paddelnd weiter sah:
Die Helden der Ilias saßen,
Freund und Feinde gleichermaßen,
Drüben im Elysium
Allesamt bei Homer herum.
Der stand erhöht in ihrer Mitte
Und sprach: „Hier unten ist es Sitte,
Dass die Götter wir lobpreisen
Und singend ihnen Ehr erweisen.
Dann stimmte er das Lied der Lieder
Leise an. Mir war‘s zuwider.
Was mir da zu Ohren kam
Mir die Lust am Sterben nahm.
(Lied der Lieder: AT „Das Hohelied“)
Die Heroen stimmten ein.
Achäer mit Trojanern im Verein,
Vom blinden Dichter dirigiert
Grölten los. Schlecht motiviert
Hat was sie im Chor gesungen
Nicht grad angenehm geklungen.
Ich hab den Sängern zugehört.
Der Missklang hat mich zwar gestört
Doch war, was da so ist geschehen
Für mich gar lustig anzusehen.
Achill und Hektor sah ich drüben
Friedlich im Zwiegesange üben.
Aias, die beiden zu begleiten
Schlug die Kihara, dass die Saiten
Statt zu klingen grässlich jaulten
Und den Sängern der Gesang vergraulten.
Auch Agamemnon sang gar fröhlich mit.
Im Terzette nun zu dritt
Klang es etwas besser schon.
Als Herakles, des Obergottes Sohn,
Seinen Bass erschallen ließ
Und die Götter lauthals pries,
Der heroische Quartett-Gesang
Etwas melodischer noch klang.
Aineias erst, dann Atenor,
Beide Stimmlage Tenor,
Fielen ein und ei der Daus,
So langsam wurd‘ ein Lied daraus.
Diomedes, Peleus, Odysseus,
Aiakos der Sohn von Zeus,
Helenos und Archelaos
Patroklos und Menelaos;
Alexandros und sogar
Nestor der schon älter war,
Brachte seine schlecht geölte
Stimme ein indem er grölte
„Hallelujah, yea yeah, Heureka“
Und dem zugehörigen Tralala,
Welches die Götter so gern hören
Ohn‘ dass sie sich am Klange stören.
Kalchos ein Seher der Achäer
Und Dolon der Trojaner-Späher
Saßen Seit an Seit und sangen“.
„Da ist das Sterben mir vergangen“
Lachte Nusskernschlemmer heiter
Und fuhr grinsend zu erzählen weiter.
„Die Heroen nun im Reigen,
Um den Göttern aufzuzeigen
Dass sie alle eben diesen
Ehre und Respekt erwiesen,
Stimmten sich so langsam ein.
Mancher im Gesangverein,
Wie der alte Priamos
Hatte als Sänger nicht viel los.
Er gehörte zu jenen stummen
Künstlern die nur leise Summen
Aber durch schmetternd falsches Singen
Sich lauthals beim Refrain einbringen.
So manches Fidiralala
Hatte die Charakteristika
Als würde es jemand verhöhnen.
Ein Gesang zum Abgewöhnen!
Selbst Orpheus in der Unterwelt
Hat sich zum Jubeln eigestellt.
Er schmetterte voll Emotion
So lauthals schön im Bariton,
Dass Antilochos als Heldentenor
Die Lust am Singen schier verlor.
Auch Demokoon und Atenor
Sangen mit im Helden-Chor.
Der Myrmidonen tapf’re Schar
Im Sängerkreis willkommen war.
Sie sangen zwar nicht schön doch laut.
Ich hab den Helden zugeschaut.
Es war, das muss ich eingesteh’n,
Vom Hades aus schön anzuseh’n
Wie sie all im Elysium hockten
Die Heroen und frohlockten.
Ach was war das für ein Tirilieren
Schmettern, Jodeln, Psalmodieren;
Das alles konnte ich grad eben
Halb im Jenseits schon, erleben.
Wie’s weiter ging, das weißt du ja.
Als ich was Graues vor mir sah
Griff ich verzweifelt sofort zu.
Am andern Ende standest du
Und zogst an Deinem Schwanz per Hand
Aufs Trock‘ne mich zu dir an Land“.
Mausolus hat nur gelacht:
„Ich hab schon manches durchgemacht;
Auch ich wär einst bald mal ersoffen.
Homer habe ich nicht getroffen
Und auch all die Helden nicht
Welche er in der Iliade
Beschrieben hat im Kriegsbericht“!
„Da hattest Pech du; schade“
Hat Nusskernschlemmer unverzagt
Mit nassem Fell darauf gesagt.
-----
Wie die Sache weitergeht
In der nächsten Folge steht
wird fortgesetzt
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen