Sonntag, 14. September 2008

Die Stedinger


Westlich der Weser, hinter dem Deich
Lag dereinst im Norden das Stedingerreich.
Stolze Bauern die am Strom
Lebten gänzlich autonom.
Die das Sumpfland routiniert
Zum Ackerlande kultiviert
Hatten mit Schweiß im Angesichte.
So belegt es die Geschichte.

Deiche und Felder sind so entstanden
In der Wesermarschenlanden.
Rechtschaffene Bauern voller Fleiß,
Rackerten die Stirn sich heiß.
Doch von dem meist kargen Lohn
Trug der Bischof viel davon.
Den Zehnten Teil, das war der Preis
Strich ein die Kirche solcherweis'.

Den Stedingern war diese Steuer
Von Anfang an nicht recht geheuer.
Trotz alledem, der Wohlstand wuchs
Im Land der Stedinger recht flugs.
Man wollte es im Norden gar
Den Friesen gleichtun offenbar
die dort in Rüstringen bereits
In Freiheit lebten ihrerseits.
So strebte man danach recht bald
Zu brechen bremische Gewalt.
Verweigerte zwecks des Gewinn's
Dem Bischof Gerhard seinen Zins.

Doch jener der das stolze Volk
Im Auftrag seines Papstes molk
Roch rechtzeitig noch die schwelende Lunte
Und schickte Truppen an die Hunte,
Um, wie die Chronisten schreiben,
Seinen Teil sich einzutreiben.
Doch die Stedinger nicht bang',
Fackelten nicht erst lang.
Schlugen jedes Mal mit Wucht
Die Bremer Truppen in die Flucht.

Die Kirche jedoch gab nicht Ruh
Und schlug immer härter zu.
Zwölfhundertneunundzwanzig dann,
Am Weihnachtsabend griff man an.
Die Abtrünnigen zu bezwingen.
Doch es sollte nicht gelingen.


"Säbelrasseln überall
Militär, ein Überfall."
Die Stedinger zum Friedensfest
Gaben dem Tyrann den Rest.
Schlugen Graf Hermann von der Lippe
Und den Rest der Rittersippe.
So hat sich's damals zugetragen
An den Weihnachtsfeiertagen.

Erzbischof Gerhard der Zweite,
Der Unterlegene im Streite,
Saß in Bremen, sann und sann
Wie man der Kirche helfen kann.
Denn Steuer zahlen das musst sein.
Was bildeten sich die nur ein.
Man musste sich nur recht besinnen
Und gegen sie Intrigen spinnen,
So dacht' des Papstes Prediger,
Dann würden selbst die Stedinger
Hinterm Weserdeich sich fügen.
So entstanden dann die Lügen,
Die von der Kirche in Gottes Namen,
Überall in Umlauf kamen.
Man ließt sie heut' noch überall
So wie anno dazumal.

Von Hexenwahn und Satanskult
Las ich Berichte, sehr okkult.
Bei Hans J. Wolf ich manches fand.
Was da alles geschrieben stand
über Stedingen und Stedingsehr
Das geht auf keine Kuhhaut mehr.

Einiges an dieser Stelle
Will ich erzählen auf die Schnelle,
Damit auch euch wird nun bekannt
Wie sich zum Frosch der Bogen spannt,
Und wie es seinen Ausgang nimmt
Berichte ich so wie es stimmt.


Die Stedinger, das weiß man heute,
Waren arbeitsame Leute.
Und überdies ist noch bekannt
Dass den Klerus sie flagrant
Haben öfter 'mal brüskiert,
Gerade heraus und ungeniert.

Die Lage war sehr angespannt.
Dies alles ist uns schon bekannt.

Doch eines Tags, beim Abendmahl
Der Priester, es war ein Skandal,
Legte einer Gutsherrenfrau
Anstatt der Hostie bauernschlau
Einen Groschen in den Mund.
Die Opfergabe war der Grund.
Für eine Frau aus ihrem Stand'
Der Pfarrer sie zu geizig fand.
Und weil der Hochwürden gewitzt
Wusste was die gute Frau besitzt,
Hat, weil gierig er geartet
Er etwas mehr von ihr erwartet.


Nach der Messe machte die reiche Frau
Im Dorfe ziemlichen Radau.
Ihr Gatte stand dem Weib zur Seite.
Gar heftig ging es zu im Streite.
Ein Wort das andere ergab.
Am End' der Priester lag im Grab
Weil, so hat sich's zugetragen
Der Gutsherr hatte ihn erschlagen.

Der Vorfall bracht' den Stein ins Rollen.
Was hätt 'der Bischof machen sollen?
Er forderte die Stedinger auf
Den Mörder ihm zu liefern aus.
Doch die Bauern deckten diesen,
Haben die Bitte abgewiesen.
Die Lage die schon sehr erhitzt
Hat sich weiter zugespitzt.

So um die Jahrhundertwende,
Nach katholischer Agende
Kamen Priester in das Land
Mit einem Säckel in der Hand.
Zeigten Requirierungsschreiben
Um den Zehnten einzutreiben.
Die Stedinger mit Schimpf und Schande
Jagten die Pfaffen aus dem Lande.
Sie machten ihnen deutlich klar
Dass da nichts zu holen war.

Der Bischof darauf sehr gekränkt
Hat den Papst in Rom gedrängt
Ihm, es ging hier um den Glauben,
Einen Kreuzzug zu erlauben.
Wollt die Stedinger bekehren,
Und der Kirche Reichtum mehren.

Dort in Rom im Vatikan
Nahm man sich der Sache an.
Zehn Jahre später per Dekret
Wurde man erneut konkret.
Doch nach kurzer Rangelei
War auch dieses schnell vorbei.

Den Stedingern ward' nichts erspart.
Doch blieb man in der Sache hart.

Dreißig Jahre später dann
Griff Hermann von der Lippe an.
Wie weiter oben schon beschrieben
Blieb er auf dem Schlachtfeld liegen.
Mit ihm zweihundert seiner Ritter.
Erschlagen. Es war bitter.

Hass und Wut auf beiden Seiten.
Ja es waren raue Zeiten.

Priester und Mönche kaum zu fassen,
Mssten nun das Land verlassen.

Das Bauernvolk las notgedrungen
Die Messe selbst, ganz ungezwungen.

In dieser argen Situation,
Der Führer der Inquisition,
Konrad von Marburg übertreibt
Als er eine Depesche schreibt.
An Papst Gregor der Bericht
In Rom sofort ins Auge sticht.
Beschuldigt wird der Ketzerei
Das Volk der Stedinger dabei.
Von Luziferanern ist die Rede
Die Unzucht treiben, schlicht jedwede.
Die Sekte, wie sie Konrad nennt,
Kein einziges Tabu mehr kennt,
Bereitet dem Herrn Jesus Schande
Im Gaue Stedingen die Bande.
Und dann geht er ins Detail.
Froschanbetung, Ketzerei.
Im Wesentlichen schreibt er dann.
"Wenn ein Neuling dort kommt an,
Erscheint ihm eine Art von Frosch
mit unsäglich breiter Gosch.
Dem Tier, das wir auch Kröte nennen
Gibt der Noviz sich zu erkennen
Indem er's auf die Gosche küsst
In gar schändlichem Gelüst.


Einige tun noch viel mehr,
Geben sich gar dazu her,
Ziehen beim schmachwürdigem Kuss
Die Zunge und den Speichelfluss
Des Frosches gierig in sich auf...
Dann folgt der weitere Messeverlauf.
Der Frosch erscheint, so Konrad's Zeilen
Gehörig groß, riesig bisweilen.
Meistens, so schreibt er im Wahn,
Nimmt er Backofengröße an.

Wenn dann die Feier weitergeht
Der Neuling vor dem Meister steht.
Vor einem ausgezehrten Mann
An dem nur Haut und Knochen dran.

Den Mann von wunderbarer Blässe
Hat er zu küssen in der Messe.
Beim Kusse der Novize fühlt
Kälte und wird abgekühlt.
Der Kuss, hat Konrad sich erlaubt
Zu schreiben, ihm den Glauben raubt.
Es bleibt nicht eine Spur zurück
Vom Katholen-Glaubens-Glück.
Gelöscht ist die Erinnerung
Nach dieser Satanshuldigung.
Ausgelöscht der Christenglauben
Von einem Mann mit schwarzen Augen."

Doch Konrad wusste zu berichten
Noch viel ärgere Geschichten:

"Nachdem geküsst der dürre Mann
Schritt man zum Festmahl also dann.
Und nach dem Tafeln ging's erst los.


Ein schwarzer Kater riesengroß
Als Statue, den Schwanz gebogen
Wurde in den Raum gezogen.
Das Tier in Größe von einem Hund,
Ging nun reihum, von Mund zu Mund.
Und jeder schmatzte ihm zum Schluss
Auf der Hintern einen Kuss.
Interessant dabei zu wissen.
Nur wer würdig war durft küssen.
Nach dem Katerritual
Wurde das Licht gelöscht im Saal.
Und was nun kam im Gewimmel
Stank der Kirche und zum Himmel.
Ohne Rücksicht aufs Geschlecht
Verkehrte man, alles war recht.
Weiber, Männer miteinander
Über - unter - durcheinander.
Verwandtschaft kannte niemand mehr.
Schlimmste Unzucht kreuz und quer.
Lesbisch, gegen jedes Naturell
Und gar homosexuell.

Wenn die Ruchlosigkeit vollbracht
Und das Licht ist neu entfacht
Tritt aus dem Halbdunkel im Raum
Ein Mann hervor, man glaubt es kaum.
Der glänzt und strahlt so wie die Sonne.
Ihn betrachtet nun voll Wonne,
Wie's für den Meister sich gehört
Das ganze Teufelsvolk betört.
Mit Ehrfurcht und mit Schweigen
Sie sich vor ihm verneigen.
Dann, wie er sich hat eingefunden,
Ist alsbald er auch verschwunden."

Dies stand alles im Bericht
Aus des Ketzer-Jägers Sicht.
Und als weiteres Symptom
Meldet Konrad noch nach Rom
Voller Trug und Hinterhalt,
Was als größte Schandtat galt:

"Manch Stedinger“, behauptet er,
"Schändet des Herrn Jesu Ehr.
Geht nach der heiligen Kommunion
Mit dem Leib des Herrn davon.
Spuckt daheim, welch Freveltat
Das Sakrament in den Unrat.
Behauptet schändlich obendrein,
Herr Jesus sollt' ein Teufel sein,
Der ungerecht und grob gar ist“
So behauptet er voll List.
Und als letzten Satz fügt an
Verschärfend schließlich Konrad dann.

"Die Stedinger sind schlimme Leut’
Sie glauben an den Satan heut,
Und behaupten obendrein
Dass der sollte der Schöpfer sein,
Und dass er nach dem Sturz des Herrn
In Glorie würde wiederkehr’n."


Dass sie Asmodeus verehren
Und mit dem Beelzebub verkehren,
Hat Konrad, so wird es berichtet,
Dem Stedingervolke angedichtet



So schrieb Konrad es nach Rom
Und so las im Petersdom
Papst Gregor(IX) es mit rotem Kopf.
Er packte die Gelegenheit beim Schopf
Und schrieb das ganze Lügendrama
In die Bulle Vox in Rama.

Dort steht es heut noch schwarz auf weiß.
Was auf päpstliches Geheiß
Vom Klerus wurde aufgeschrieben
Ist erhalten uns geblieben.

Die Stedinger die traf es hart.
Denn wie es Katholen Art
Galt das Papstwort damals schon
Als unfehlbar, welch grober Hohn.

Nun war der Anlass ja gegeben.
Gegen Ketzer musst' erheben
Die Kirche sich, so war die Lage.
Jetzt ging es um die Glaubensfrage.
Und so kannte man kein Erbarmen
An der Hunte mit den armen
Stedingern die das Komplott
Büßen sollten, Großer Gott...

Die Kirche hat mobil gemacht.
Der Schlachtplan war jetzt gut durchdacht.
Für Großen Kreuzzug-Ablass dann
Man ein Söldnerheer gewann.
In Verden, Münster, Hildesheim
Zog man die Kreuzzugstreiter ein.
Aus Osnabrück und Paderborn
Rief man sie im heiligen Zorn.
Der Erzbischof von Mainz sogar
Am Feldzuge beteiligt war.

Zwölfhundertvierunddreißig, im Monat Mai
Zog das Kirchenheer herbei.
Bei Altenesch am Ochtumstrand
Die Metzelei ihr Ende fand.
Die Kirche ließ ihr Volk bekriegen
Und strafte ihre Lehren Lügen.



Mit Stedingen war's schnell vorbei.
Denn angeklagt der Ketzerei
Vom Bremer Bischof angefacht
Unterlag das Volk der Übermacht.

Fünftausend Tote zu beklagen.
So hat sich's damals zugetragen.

Das Land der Stedinger

Ein paar Literaturangaben

Hinweis:
Mehr über die Stedinger erfahren Sie hier
und hier und hier und hier

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Zur Einstimmung

Bei dem hier unter dem Pseudonym R.W. Aristoquakes virtuell zur Veröffentlichung gebrachten, mehr als einhundertfünfzigtausend Doppelverszeilen umfassenden und mit über 15.000 Zeichnungen versehenen Epos handelt es sich um die umfangreichste Nacherzählung des Homer zugeschriebenen Kriegsberichtes, die jemals niedergeschrieben wurde und nach Auffassung des Autors, um das wichtigste literarische Werk der Neuzeit überhaupt.

Unter dem oben abgedruckten Titel veröffentlicht der noch unbekannte Schriftsteller an dieser Stelle in den nächsten fünf Jahren sein als Fortsetzungeerzählung entstandenes Mammutmachwerk über den antiken Tierkrieg und dessen Folgen für die Menschheit.

Das über zweitausend Jahre alte homerische Epillion, das im Original nur etwa 300 Verszeilen umfasst, wurde von R.W. A., der zehn Jahre lang daran gearbeitet hat, zu einem Mammutwerk aufgebläht, das die Batrachomyomachia mit der Ilias und der Bibel verbindet.

Diese Verknüpfung der drei wichtigsten Werke der abendländischen Literatur, die in etwa zur gleichen Zeit entstanden sind, dient dem Autor dazu, seine religionsgeschichtliche These zu untermauern, in der er den Frosch als Ursprungsgottheit darstellt und behauptet, dass die Götter der Neuzeit nichts anderes sind als die konsequente Weiterentwicklung der ägyptischen Froschgötter.