Freitag, 14. Oktober 2011

Machwerk R.W. Aristoquakes

Teil 8 – 46

Weiter im Krieg


ährend

die Götter zur Urne schritten

Die Frösche mit den Mäusen stritten.

Noch immer war im Kriegsgescheh’n

Das Ende längst nicht abzuseh’n.

Das Gegenteil, schien’s war der Fall.

Mord und Todschlag überall.

Die verfeindeten Parteien

Von ihrer Mordlust zu befreien

Wäre für Zeus mit eisernem Besen

Oder mit seinem Donnerkeil

Sicherlich nicht schwer gewesen.

Doch der im ob‘ren Weltenteil

Hatte mitten im Wahlkampf nun

Wesentlich wichtigeres zu tun

Als um den Frieden unten sich

Zu kümmern göttlich fürsorglich.

Obwohl er von oben alles sah,

Was auf dem Schlachtfelde geschah,

Griff er nicht ins Geschehen ein.

Er wollt gewählt erst wieder sein!

Das war die Lage: In der Schlacht

Wurde weiter umgebracht.

Schlammig Schlickner auf der Lauer

Erwischte den edlen Wursthautkauer.

Der hatte sich im Busch verirrt.

Nie wieder war er so verwirrt.

Schlammigs Lanze durch den Helm

Drang unverhofft dem Mäuseschelm

Von oben in die hohe Stirn.

Urplötzlich fuhr ein jähes Stechen

Ihm durch die graue Schädeldecke

Bis hinein ins Denkerhirn.

Zu spät noch ein Gebet zu sprechen,

So schnell bracht Schlickner ihn zur Strecke;

Erbarmungslos von einem Ast

Aus stach er zu. Es hat gepasst.

Ein andrer Frosch `ne andre Maus

Suchte sich als Gegner aus.

Er, Dendrobates Hupps vom Moor

Nahm sich den Giftmüllwühler vor

Welcher ihm mutig, unbeugsam,

Und kampfbereit entgegenkam.

Hupps, die Lanze stichbereit,

Mutig in mannhafter Tapferkeit,

Mit wehendem Busche auf dem Helm

Traf in den Arm den Pelztier-Schelm,

Dass dem sein Schwert im hohen Bogen

Aus seiner Schlaghand ist geflogen.

Der zweite Stich saß voll im Leibe.

Durch des Lederschildes Scheibe

Drang er der Maus ohn‘ jeden Lärm

Mitten hinein ins Giftgedärm.

Der Dickdarm welcher übervoll

Seit langem war, ihr überquoll.

Es stank bestialisch: Giftmüllwühler

Selbst verwundet noch ein kühler

Soldat mit frischem, klarem Geist

Dacht sterbend mit verkniff’ner Mine,

Was bei `ner Maus, sie schiss grad, heißt;

„Wäre ich doch zur Latrine

Vorhin als ich das Verlangen

Hatte lieber hingegangen.

Hätte in Ruhe ich geschissen

Wär jetzt mein Dickdarm nicht zerschlissen.

Hätte ich mir Zeit genommen

Wär es nicht zum Kampf gekommen.

Hätt ich auf meinen Bauch gehört,

Dann wär mein Fell jetzt nicht zerstört.

Übereifer schadet nur.

Warum war ich denn bloß so stur

Und hab‘ die Blähung nicht beachtet,

Als nebensächlich sie betrachtet.

Hätte ich sie ernst genommen

Wär es nicht so weit gekommen.

Es sind die kleinen Dinge eben,

Die man beachten muss im Leben“!

So dacht die Maus ein letztes Mal

Bevor sie Gott Hades sich empfahl.

Zwei andre Graue, auch im Pech

Schnappten die Brüder Lauchgrün frech.

Mit dem eignen Schwanz gebunden

Verspottet, gepiesackt und geschunden

Mussten sie viel Leid ertragen.

„Du sollst die Wahrheit endlich sagen

Du verfluchtes Mäuseluder“

Schimpfte der eine grüne Bruder

Proletenhaft und nicht grad fein,

Auf Maus Wurzausgräber ein.

Dann schnitt er ihr die Ohren ab;

Worauf sie ihm zur Antwort gab:

„Du blöder Hüpfer, du saudummer,

Mehr als meine Feldpostnummer

Wirst du nicht von mir erfahren.

Du kannst dir die Fragerei ersparen“!

Nun drohte ihr der grüne Mann

Den Verlust des Schwanzes an.

Da brach es dann aus ihr heraus:

„Ich bin in Mausula zu Haus.

Mit all den andern im Verein

Zog man mich zum Kriegsdienst ein.

Erst kam ich zur Bürgerwehr.

Seit gestern diene ich im Heer.

Mehr weiß ich nicht; als graue Maus

Erfuhr ich nichts. Ich hab ein Haus,

Siebzehn Kinder und `ne Frau.

Bei uns im Dorf herrscht große Not.

Die meisten Männer sind schon tot.

Mir geht’s im Grund wie dir genau.

Man hat mich an die Front gezwungen.

Zu Hause hungern meine Jungen.

Mein Weib, die hübsche kleine Maus,

Weint sich ohn‘ mich die Augen aus“

So hörte der Frosch den Krieger klagen.

„Ich kann auf deine weit’ren Fragen

Dir wirklich keine Antwort geben“.

„Das kostet dich dein Mauseleben“

Schrie der andre zornig, „Du

Dummes Vieh“. Dann stach er zu.

So kam Maus Wurzausgräber um.

Ihr Kumpel Grabenflüchter stumm

Hatte der Mordtat zugeseh’n.

Ihr sollte noch Schlimmeres gescheh’n.

Neben ihren hübschen Ohren

Hat sie den Schwanz auch noch verloren.

Dann traf es sie: Ein schriller Schrei,

Dann war es auch mit ihr vorbei.

Die Mörder sahen sich grinsend an:

„Wir sterben alle irgendwann“

Lachten sie. „So ist das eben.

Ein schnelles Sterben ehrt das Leben.

Vivere militare est!

Das Leben ist kein Freudenfest“!

Die beiden lauchgrünen Brüder lachten:

„Bevor wir weit’re Mäuse schlachten“

Sprach der jüngere der beiden

Zum großen Bruder höchst bescheiden.

„Sollten wir dem Hauptmann sagen

Was sich hier hat zugetragen,

Sonst gibt es später für das Morden

Für uns wieder keinen Orden

So wie sie es nach der letzten Schlacht

Haben wohl irrtümlich mit uns gemacht.

Gesagt, getan, wie vorgeschlagen,

Wurd‘ es dem Hauptmann zugetragen.

Der griff, so war’s inzwischen Masche,

In seine rechte Hosentasche

Und heftete sofort sodann

Den beiden neue Orden an.

Feierlich sprach er dabei:

„Wenn der Krieg ist erst vorbei

Werde ich es Pausback melden.

Er wird wie alle andren Helden

Einladen euch zum Siegesfest.

Dort bekommt ihr dann den Rest

Der euch zusteht als Soldat;

Lebenslang Pension vom Staat.

Doch nun kämpft weiter ohne Schiss;

Des Königs Dank ist euch gewiss.

Die beiden derart motiviert

Und mit Orden ausstaffiert,

Warfen sich sofort spontan

Ins nächste Gefecht mit neuem Elan.

Doch ist ganz anders es gekommen

Als man es sich hat vorgenommen.

Ein Maustrupp hat die zwei gestellt

Und um die Pension geprellt.

Vom Feinde derart aufgerieben

Sind tot im Felde sie geblieben.

Ihre Frauen, dolce far niente,

Verprassen nun die Witwenrente

Und legen dankbar hin und wieder

Ein paar Blumen für sie nieder

Am Grabe ihrer Froschsoldaten

Als Dank für ihre Heldentaten.

Im Hades unterdessen fluchten

Ihre Seelen denn ihnen ging es schlecht:

„Pausback soll sich dümm‘re suchen;

Uns ist der Krieg zu ungerecht.

Für König, Volk und Quakerland

Unser eins im Felde stand“

So hörte man die beiden klagen

„Die Haut haben zu Markt getragen

Wir im Krieg und Schlacht für Schlacht

Uns für das Volk verdient gemacht.

Die andern die zu Hause saßen,

Weil sie betucht und ehrenwert,

Unsere Rationen fraßen

Und jeden Abend zum Konzert

Gingen am heimatlichen Teich

Und schamlos feierten dort Laich.

Sie, die auf unser Wohl anstießen

Und dann die Puppen tanzen ließen

Während wir zum Sieg entschlossen

Für Pausback unser Blut vergossen;

All die dreisten Zivilisten

Die vom Kriegsdienst sich verpissten,

Bringen heute Lurch für Lurch

Oben unsre Rente durch

Die an der Front wir uns erstritten.

Das ist gegen alle guten Sitten.“!

So fluchten im Hades voller Zorn

Die lauchgrünen Seelen: „Könnt von vorn

Dort oben ich nochmal beginnen

Würd ich mich darauf besinnen,

Das vom Krieg der kleine Mann

Niemals profitieren kann.

Dem Kriegsdienst würd ich ohne Zagen

Mich verweigern“! „Nein zu sagen“

Ergänzte die andere, zu Krieg und Schlacht,

Ja das wär wirklich angebracht!

Ich würde Pausback laut verkünden:

Sorry Sir, aus religiösen Gründen

Und aus Gründen meiner Ehr

Töte ich für Dich nicht mehr.

Wenn niemand ginge zur Armee,

Dann wär der Krieg schon längst passee.

Wenn niemand griffe mehr zum Schwert

Dann wär es oben lebenswert“!

So unterhielten sich die beiden.

„Lieber hier ein bisschen leiden

Als nochmal für Pausback in die Schacht!

Was hat das Morden denn gebracht“?

So fragte die ältere die junge.

Die Seele mit einem Flügelschwunge

Hob vom Boden ab und sprach:

„Klug wird man immer erst danach.

Hätte vorher jemand mir

Gesagt, dass ich muss schmoren hier

Bis meine Sünden sind gesühnt

Zu denen mich hat der Krieg erkühnt,

Dann hätte ich auf Erden oben

Für Pausback keine Hand erhoben.

Während man so diskutierte

Im Hades, in der Feuerglut,

Oben ein Fröschlein aufmarschierte

Mit Schild und unverzagtem Mut.

Sein Name Peacefrog war Programm.

Frieden war nebst Schlick und Schlamm

Das Wichtigste für Ihn. Das Leben

Sinnlos im Kriege hinzugeben

Ist Sünde. Eine Maus zu töten

Für den Sold von ein paar Kröten

Ist grober Unfug, denn auch Nager,

Selbst wenn sie aus dem Gegnerlager

Stammen, hängen sehr am Leben.

Aus diesem einfachen Grunde eben

Setzte er sich ganz entschieden

Gegen Mord ein. Für den Frieden

Demonstrierte er der Christ

Couragiert als Zivilist.

Mit einem Pappschild in der Hand

Worauf der Satz geschrieben stand

Den alle im Felde lesen sollten.

Obwohl es die nicht wissen wollten

Marschierte mutig kreuz und quer

Zwischen jenen er umher.

„Soldaten sind Mörder“- Ein Brecht-Zitat!

„So was nennt man Hochverrat“

Schrie der erste Frosch empört.

Fast alle hat das Schild gestört.

Mancher dachte: „Berthold Brecht

Hatte ja im Grund genommen Recht“!

Doch offen dieses zuzugeben

Wollte keiner der Epheben.

Im Gegenteil, wie das so ist,

Schrie einer plötzlich „Kommunist,

Du verdammter Volksverhetzer.

Schnappt ihn den verdammten Ketzer“!

„Steinigt ihn den Hochverräter“

Plärrten die andern aufgebracht.

Ein anonymer Attentäter

Hat, was sie forderten gemacht.

Der Peacefrog starb, er hat sein Leben

Der Überzeugung hingegeben,

Dass Mord bleibt Mord, auch wenn die Tat

Ein König im Wahn befohlen hat.

Der Gute blieb ermordet liegen.

Landser und Offiziere schwiegen

Betreten einen Augenblick

Als den Braven sie beim Nahen

Tot nebst seinem Schilde sahen.

Doch dann fügten sie sich dem Geschick

Das ihnen der Krieg hat aufgezwungen.

Sie kämpften weiter notgedrungen

Denn sich ihm zu verweigern hieß

Dass Pausback sie erschießen ließ.

Frosch Sumpfpatschrich vom Wasser aus,

Stieß seine Lanze einer Maus

Die mit `nem Wurfbeil in der Hand

Ausholend am Ufer stand,

Ohn‘ jede Gnade in ihr Fell.

Sie brach zusammen auf der Stell‘.

Doch tot war sie noch lange nicht.

Der Frosch aufs Töten nur erpicht,

Zog deshalb übers linke Knie

Schnell und geschickt ins Wasser sie.

Dort hat er sie so lang getaucht

Bis sie blasser wurd‘ und blasser

Ihr Mausleben hat ausgehaucht.

Sie läg‘ noch heute dort im Wasser

Wäre nicht der Hecht gekommen

Und hätt sich ihrer angenommen.

Ja im Kriege die Interessen

Sind unterschiedlich. Aufgefressen

Machte den großen Fisch sie satt

Während manch kleiner Mann gehungert hat.

Im Streit am sumpfigen Poggenmoor

Tat Brettscher sich indes hervor.

Er hatte mit dem Schwert ohn‘ Herz

Einem Mauser Kopf und Sterz

Im Zweikampf zornig abgeschlagen.

Als Souvenir nach Hause tragen

Wollt‘ er die Sachen. Aufgespießt

Trug er den Schädel auf dem Speer,

Das Schwänzchen in der Hand daher.

Da hat ein Mäuschen ihn verdrießt

Das der Waldkauz in der Nacht

Hatte um ihren Stolz gebracht.

Ohne Schwanz das arme Ding!

Die Sache ihm zu Herzen ging.

„Hallo du süße kleine Maus“

Rief er der Kleinen sogleich zu,

Nimm diesen Schwanz, den geb‘ ich aus,

Und etwas Spucke noch dazu.

Komm her ich kleb ihn dir gleich an“.

„Du bist der erste grüne Mann“

Sprach sie zu ihm mit frohem Mut,

„Der etwas Gutes für mich tut“.

Sie bückte sich: Da stach er zu.

Es war ihr letztes Rendezvous

Dass sie mit einem Grünen hatte.

Brettscher, die hinterhält’ge Ratte

Ist später dann im Krieg gefallen.

Ein Maussoldat mit scharfen Krallen

Hat ihn, als er schlief bei Nacht

Hinterhältig umgebracht.

Auf dem Schlachtfeld bei den Tieren

Kamen die die guten Kampfmanieren

Von einst nun allesamt abhanden.

Aus Soldaten wurden Mörderbanden.

„Die Schlacht ist auf dem Höhepunkt“

Hat Hüpper Höppekrötsch geunkt.

Da wurd er senkrecht in der Mitten

Von einem Schwerte durchgeschnitten.

Das letzte was er dachte war:

„Was ist mir plötzlich sonderbar“!

Um den Gedanken festzuhalten

War er längst zu sehr gespalten.

Mit offenen Augen, blutverschmiert

Lag er da und ist krepiert.

Manchen hat es noch erwischt!

Wie es Homer uns aufgetischt

Schwarz auf weiß und Blatt für Blatt

Vom Krieg in der Ilias hat,

------

So berichte froh und heiter

Ich in der nächsten Folge weiter.

wird fortgesetzt

Keine Kommentare:

Zur Einstimmung

Bei dem hier unter dem Pseudonym R.W. Aristoquakes virtuell zur Veröffentlichung gebrachten, mehr als einhundertfünfzigtausend Doppelverszeilen umfassenden und mit über 15.000 Zeichnungen versehenen Epos handelt es sich um die umfangreichste Nacherzählung des Homer zugeschriebenen Kriegsberichtes, die jemals niedergeschrieben wurde und nach Auffassung des Autors, um das wichtigste literarische Werk der Neuzeit überhaupt.

Unter dem oben abgedruckten Titel veröffentlicht der noch unbekannte Schriftsteller an dieser Stelle in den nächsten fünf Jahren sein als Fortsetzungeerzählung entstandenes Mammutmachwerk über den antiken Tierkrieg und dessen Folgen für die Menschheit.

Das über zweitausend Jahre alte homerische Epillion, das im Original nur etwa 300 Verszeilen umfasst, wurde von R.W. A., der zehn Jahre lang daran gearbeitet hat, zu einem Mammutwerk aufgebläht, das die Batrachomyomachia mit der Ilias und der Bibel verbindet.

Diese Verknüpfung der drei wichtigsten Werke der abendländischen Literatur, die in etwa zur gleichen Zeit entstanden sind, dient dem Autor dazu, seine religionsgeschichtliche These zu untermauern, in der er den Frosch als Ursprungsgottheit darstellt und behauptet, dass die Götter der Neuzeit nichts anderes sind als die konsequente Weiterentwicklung der ägyptischen Froschgötter.