Sonntag, 2. August 2009

Machwerk R.W. Aristoquakes
Teil 1-8
Die Mausvolkversammlung tagt


So ging denn jeder schnell nach Haus
Und sandte schleunigst Boten aus,
Hin durch das ganze Königreich,
Es sollten alle Mäuse gleich
Zur Hauptstadt kommen, sich besprechen
Wie Pausbacks Frevel sei zu rächen.

Nun ging es an das Mäusewandern!
Aus Mausland, Spanien, Frankreich, Flandern,
Und aus dem großen Deutschen Reich
Eilten sie herbei sogleich.
Da zogen sie in Scharen groß
Bei Tag und Nacht zur Hauptstadt los,
So dass die Menschheit Wunder nahm,
Wo nur der große Zug herkam;
Die meinten, dass das böse Zeiten
Wie Krieg und Elend wird bereiten.

Als die unzähligen Massen nun,
Ankamen, ließ der Tage zwei
Der König rasten sie und ruh’n
Und königlich bewirten frei.

Am dritten Tage aber waren
All die herbeigeeilten Scharen
Versammelt um des Königs Thron.


Der saß mit Zepter und mit Kron’
Umstanden nach dem Rang von allen
Den Herrschern, Fürsten und Vasallen.

Zu ihnen sprach der König so:


„Des Lebens werd ich nicht mehr froh,
Ihr wisst, ihr Herrn und edle Leute
Weshalb ich euch versammelt heute,
So brauch ich nicht der Worte viele.
Ihr wisset, nah dem Lebensziele
Bin ich, das ist keine Frag.
Bis heut so mancher bittre Tag
Ward meinem Hause schon beschieden.
Es sind von mir, der Reihe nach,
Glaubt mir, das ist eine schlimme Sach,
Die lieben Kinder all geschieden:
Den Prinzen, der zuerst mir kam,
Das Wiesel aus der Wiege nahm;
Den andern, dass es Gott erbarm!
Riss die Katz mir aus dem Arm;
Der dritte musste unter Leiden
In einer Mausefalle scheiden.
Der vierte, der noch übrig war,
Fast ein Kind an Leib und Jahr,
Bestimmt zum Erben für das Reich,
Der mir in Allem war so gleich.
Den ich und mein betrübtes Weib
Mehr liebten, als das Herz im Leib,
Auch der ist, leider nun dahin
Durch König Pausback’s falschen Sinn.
Der Froschherrscher gar trügerisch
Stieß auf See ihn mörderisch
Von seinem Rücken feig hinab
Hinein ins Unterwassergrab.

Nun ist zwar mein allein der Schmerz,
Doch trifft der Schlag auch euer Herz.
Die Ehre unserer Nation
Und unser Anseh’n, Reich und Thron
Hat König Pausback tief schimpfiert.
Wer unter euch bleibt ungerührt
Von solchem Schimpf und solcher Schmach?
Was sagen uns die Nachbarn nach,
Wenn wir die Tat nicht blutig rächen?
Die Frösche werden Hohn uns sprechen,
Verlachen uns und unsre Söhn’,
Wenn wir forthin zum Wasser geh’n.
Des Mausgeschlechtes Ritterruhm
Schlägt dann in Spott und Schande um.“

Die Ehre und die Rache wollen;
Dass wir den bösen Missetäter,
Den falschen Gastfreund und Verräter,
Mit einem Krieg heimzahlen sollen,
Was unserm Volk in seinem Wahn
Der feige Schurke angetan.

Ich hoff, ihr steht mir treulich bei,
Damit der Ausgang glücklich sei.
Mein Herz erst Frieden sich erwirbt,
Wenn Pausback von meinen Händen stirbt!“

Er legt dabei die Faust ans Schwert,
„Den Tod, nicht Bessres ist er wert“.

Die Mäusefürsten gaben kaum
Dem König zu mehr Worten Raum.
Mit Pfeifen, Zischen, Knirschen, Schreien
Und zornigem Vermaledeien.
„Sie müssen“, riefen sie „verderben“,
Und Pausback mit den Seinen sterben.
Wir wollen sie schlagen, stoßen, stechen
Und blutig uns an ihnen rächen.
Auf! Alle auf! Den Fröschen Krieg,
Führ König uns zu Schlacht und Sieg.“

So riefen sie in großem Zorn,
Zähnefletschend, schwingend ihren Spieß;
Ein Jeder sich bedünken ließ,
Er wollt die Frösch’ allein verjagen,
Wenn nicht gar sämtliche erschlagen.
Ein wildes Lärmen scholl verworr’n,
Doch legt’ sich’s als nach einer Weile
Fürst Rathilf nahm das Wort und sprach:
„Langsam Freunde, lasst die Eile,
Was ihr beginnt, bedenkt gemach.
Besser wär’ ins Ratzenland
Nach Beistand erst einmal gesandt,
Weil die all starke Riesen sind
Und selbst ein Schwein angreifen kühn.
Die Wassermäuse auch geschwind,
Lasst uns auf unsre Seite zieh’n.
Sie können in das Wasser springen,
Um feldflüchtige Frösche umzubringen.
Auch rat ich euch, dass bittend ihr
Schickt Boten zu dem Murmeltier,
Dem Hamster auch, dem Herrn Baron,
Des Nagetiergeschlechtes Kron’.
Vor allem ihm gebührt die Ehre,
Zu ziehen vor dem ganzen Heere.
Die Fledermaus von oben rein
Kann auf den Feind in aller Eile
Herunterwerfen manchen Stein
Zerschmetternd so wie Donnerkeile
Von Gott Zeus auf diese Erde,
Damit der Krieg gewonnen werde.
Auch können wir die Störche bitten,
Zu fechten mit in unsrer Mitten.
Je mehr der Hilfe, glaubet mir,
Je eher und sichrer siegen wir“.

Fürst Mehlsack aber sprach: „O nein,
Es dünket mich das Allerbeste,
Wir Mäuse bleiben ganz allein.
Verjagt wird oft aus eignem Neste,
Wer eingeladen solche Gäste.
Ungleiche Freundschaft, wie ihr wisst,
Dem Klein’ren stets von Schaden ist,
Wenn Ruhm ein Kampf und Vorteil bringt,
Den der Verbündete verschlingt.
Und sind wir, wenn ich’s recht betracht,
Nicht selber eine große Macht,
Die mutig wehrhaft unverzagt
Hat oft gar Menschen schon verjagt
Aus ganzen Ländern, ohn’ dass wir
Die Hilfe bräuchten andrer Tier?
Kein Volk so schlecht ist in der Welt,
Dass nicht, wenn es zusammen hält
In brüderlicher Einigkeit
Auf dem Feld der Ehr im Streit,
Und keiner vor dem Gegner weicht,
Es überlegene Feinde leicht
Geschlagen hätt’. Auch wenn allein
Wir sind, der Sieg wird unser sein,
Es wollt denn Gott das Glück nicht geben;
Denn wider Gott ist nicht zu streben.“

Nunmehr trat Friedlieb auf, im Land
Ob seiner Tugend wohlbekannt;


Er war geboren edler Art;
Vor Alter graute ihm der Bart;
Er war Hofmeister einst gewesen,
Verstand gut zu schreiben und zu lesen,
Ward unter allen weisen Alten,
Wohl für den weisesten gehalten.
Im Fürstenrat, gar wohl erfahren
Und tapfer auch in Kriegsgefahren.
Der Jahre zählte er fast dreißig,
Hielt doch sich wie ein Ritter reisig.
Allzeit gewappnet mit Spieß und Schwert.
Der altre Recke ehrenwert.
Er winkte ihnen mit der Hand,
Gebot dem Lärmen Stillestand,
Bis allesamt mit offnem Mund
Zur Stelle sahen, wo er stund.
Da strich am Barte er den Knebel,
Fasst mit der linken Hand zum Säbel
Und räuspert sich noch kurz ein Mal,
Sprach laut dann, dass es scholl im Saal:
„Männer, was wir beginnen wollen
Wir reiflich überlegen sollen;
Denn vorgetan und nachbedacht
Hat manchem schon viel Leid gebracht,
Doch vorbedacht, was nach kann kommen,
Gereicht uns oft zu Nutz und Frommen.
Ich hört’ einmal vor vielen Jahren,
Als wir noch junge Mäuslein waren,
Die Manntierfürsten lang beraten
Und handeln von großen Kriegestaten.
Wir lagen wohlverwahrt und fest
Hinter der Ofenbank im Nest.
Die Einen wollten Truppen werben,
Die Andern den Feind mit List verderben,
Die Schanzen graben, Festen stürmen,
Und kämpfen hinter Wall und Türmen.
Der eine verlegte jeden Pass,
Der sagte dies, der andre das,
Bis endlich der König scherzend fragte,
Was denn der Narr zu all dem sagte.
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„Was ist der Krieg?“, so fragte der,
„Erklär es mir doch bitte sehr!“


Drauf lacht der König und erklärt:
„Wenn man zuhauf mit Mann und Pferd
Mit Harnisch, Bogen, Spieß und Schwert
Zu Felde zieht, den Feind abwehrt.“

„Was weiter dann?“ fragt abermals
Der Narr und lacht in seinem Hals.

Der Fürst erwidert: „Mann an Mann
Im blutigen Kampfe ringen dann,
Viel tausend werden so erschlagen,
Die Verwundeten davongetragen.“

„Was dann? Was ist das Ende?“ fragt
Der Schalk. Der König sagt:
„Man verträgt sich endlich in der Sachen.“
„Wie muss ich solcher Torheit lachen!“
Der Narr drauf spricht. „Was wollt ihr Affen
Euch nicht alsbald den Frieden schaffen,
Und nicht euch vorher schon vertragen,
Ehe ihr werdet totgeschlagen?“

Des Narren Red’ missfiel dem König,
Verspottet ihn darob nicht wenig.
Und als er schmählich ward geschlagen,
Musst er zum Schaden Spott noch tragen.

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Nun geb’ ich hier denselben Rat,
Den jener Narr gegeben hat.
Lasst uns zuvor Legaten senden,
Pausback verklagen vor den Ständen
Und Buße fordern ernstiglich.
Will aber er nicht stellen sich,
So schickt man heimlich eine Wacht,
Die auf ihn passt mit guter Acht,
Den Übeltäter zu erwischen
Beim Mückenjagen oder Fischen.
Dann soll er mit dem Leben zahlen,
Er trägt die Schuld allein von allen.
Wenn wir jedoch den Krieg ansagen,
Dann wird der Untertan geschlagen.
Seit Troja’s Fall der Könige Wahn
Büßt immer nur der Untertan;
Die Junker raufen sich und prassen,
Die Bauern müssen Haare lassen.
Drum sehet wohl, wenn ihr es tut,
Um Rache schreit unschuld’ges Blut.
Der Krieg bringt beiden Seiten Leid.
Wenn ihr nicht alle Narren seid,
Dann solltet ihr was klug ist, sehen
Und ihm aus dem Wege gehen“.

Gar ungehalten fuhr darauf
Der Junker Milchrahmlecker auf,
Ein junges, adeliges Blut,
Doch pochend sehr auf seinen Mut:
„Wer ungestraft hier über sich
Beleidigungen lässt ergehen,
Nicht hält auf Ehre ritterlich,
Der wird nie Walhalla sehen.
Drum rat ich Krieg. Wohl freilich hat
Gefahren jede tapfre Tat;
Doch rühmlich ist es, trotz Gefahren
Des Vaterlandes Ehr zu wahren,
Ihm Macht und Anseh’n zu erwerben
Und tapfer dafür auch zu sterben.“

Und weiter hörte man ihn fauchen:
„Lasst euch von Friedlieb nicht missbrauchen.
Es wäre wahrlich Schand’ und Sünde
Wenn unter uns ein Feind hier stünde
Und hörte sein verzagtes Reden,
Die Frösche müssen wir befehden
Bis in den Tod. Sind wir denn Hasen,
Die sich von Hunden jagen lassen
Und sich zur Gegenwehr nicht stellen?
Entweder fallen oder fällen!
Wer sich nicht wehrt ist schon geschlagen,
Wer feige flieht, ist leicht zu jagen.
Die Schlange macht sich freien Pass,
Den Aal frisst man ohn’ Unterlass.
Wer durch den Stachel lässt sich schrecken,
Bekommt den Honig nicht zu schmecken;
Doch frisches Wagen heißt gewinnen.
Die Alten mögen sich besinnen,
Wo denn die Vögel bleiben alle,
Wenn `mal der Himmel runterfalle.
Wir Jungen aber wollen streiten
Und mit dem König zu Felde reiten
Und die breitmäuligen Wasserpatzen
Durch Stechen,, Schießen, Stoßen, Kratzen
Vernichten oder so lang jagen
Bis am Leben sie verzagen
Und sie sich, jenes zu verkürzen
Allesamt in die Fluten stürzen.“

Der König sah den alten Mann
Mit starrem Blicke grimmig an.
„Du sorgst um Deine alte Haut“
So sprach er spöttisch, „wer dir traut,
Hat sicher schon zum Schaden Spott;
Doch deiner Weisheit tut’s nicht Not.
Bleib daheim und bet derweil,
Wer meiner Gnad’ will haben Teil,
Der rüste sich zur Gegenwehr
Und stelle morgen sich zum Heer.


Ein jeder mache sich gefasst
Zum Krieg und rüste sich mit Hast
Und finde sich am Rüstplatz ein,
Wo aufstellen wir dann unsre Reih’n.
Das Heer soll seine Führer wählen
Die was geschehen soll befehlen.

Trompeter du, und Herold du,
Ihr eilt mit vier der Reiter schnell
Ohne zu rasten dem Schilfland zu,
Zum See, wo Hof der König hält,
Und saget ihm im freien Feld:
Am dritten Tag, wenn es wird hell,
Dann wollen an derselben Stelle,
Am steilen Seeufergefälle,
Wo er in seiner Freveltat
Meinen Sohn verraten hat,
Dessen soll er sein bedacht,
Wir ihm liefern eine Schlacht,
Die er, ich bin mir sicher dessen,
Sein Lebtag nimmer wird vergessen.
Da jubelte die graue Schar:
„Wir wollen ihnen zahlen bar,
Wir wollen rüsten uns und rächen,
Den Fröschen Hals und Beine brechen.“
Und jeder ging an seinen Ort
Zu bewaffnen sich drauf fort.

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Zur Einstimmung

Bei dem hier unter dem Pseudonym R.W. Aristoquakes virtuell zur Veröffentlichung gebrachten, mehr als einhundertfünfzigtausend Doppelverszeilen umfassenden und mit über 15.000 Zeichnungen versehenen Epos handelt es sich um die umfangreichste Nacherzählung des Homer zugeschriebenen Kriegsberichtes, die jemals niedergeschrieben wurde und nach Auffassung des Autors, um das wichtigste literarische Werk der Neuzeit überhaupt.

Unter dem oben abgedruckten Titel veröffentlicht der noch unbekannte Schriftsteller an dieser Stelle in den nächsten fünf Jahren sein als Fortsetzungeerzählung entstandenes Mammutmachwerk über den antiken Tierkrieg und dessen Folgen für die Menschheit.

Das über zweitausend Jahre alte homerische Epillion, das im Original nur etwa 300 Verszeilen umfasst, wurde von R.W. A., der zehn Jahre lang daran gearbeitet hat, zu einem Mammutwerk aufgebläht, das die Batrachomyomachia mit der Ilias und der Bibel verbindet.

Diese Verknüpfung der drei wichtigsten Werke der abendländischen Literatur, die in etwa zur gleichen Zeit entstanden sind, dient dem Autor dazu, seine religionsgeschichtliche These zu untermauern, in der er den Frosch als Ursprungsgottheit darstellt und behauptet, dass die Götter der Neuzeit nichts anderes sind als die konsequente Weiterentwicklung der ägyptischen Froschgötter.