Mittwoch, 7. August 2013

Batrachomyomachia

Machwerk R.W. Aristoquakes
Teil 20-12
 Achter Kriegstag

Sie mussten beide sich beeilen
Denn der Weg war lang
Zu ihren eignen Truppenteilen
Und die Schlacht schon voll in  Gang.

Die beiden, auf verschied'nen Wegen
Fanden Hunderte von Toten.

Da blieb kaum Zeit für einen Segen.
Eile war nun mehr geboten
Denn Mittag war bereits vorbei
Und pünktlich Nachmittag um zwei
Gab's in der Schlacht, so wie zu Hause,
Beim Generalstab eine Jause.

Da musste man die Zeit sich stehlen,
Denn dabei wollte keiner fehlen!

So hat den Toten, die man fand,
Im Vorbeigeh'n mit der Hand,
Dort wo sie im Drecke lagen,
Nur hastig man ein Kreuz geschlagen;
Denn Pünktlichkeit ist eine Zier
Im Feld für jeden Offizier,
Welcher unter Eid ja steht,
Wenn es um die Pausen geht.

Auch Krotsche Krööt der Korporal,
Welcher tot am Schilfrand lag,
Erhielt an diesem Nachmittag,
Von Hoppefroh dem Kardinal,
Dessen großer Eile wegen,
Nur im Vorbeimarsch seinen Segen.

Doch Krotch Krööt war das egal
Denn es war eh das letzte Mal
Dass er vom Klerus etwas wollte!

Auch Schabke Schab, einem Gefreiten,
Der einen Pfeil beim Vorwärtsreiten,
Vom dreisten Mauser Miniratte
Von hinten abbekommen hatte,
Es wie Krotsch ergehen sollte.
Er lag auf einem Maulwurfhaufen
Und hatte genug vom Krieg und Raufen.


Hoppefroh der Kardinal
Grüßte ihn zwar pastoral,
Vorbeihastend an ihm devot,
Doch mehr wollt er für ihn nicht tun
Denn dazu war der schon zu tot.
Nun muss Krotsch ungesegnet ruh'n
Und seine Seele ist verloren.
 Sie muss im Hades deshalb schmoren
Und wird, nur um es mal zu nennen,
Für alle Ewigkeiten brennen.

***

Auf der Gegenseite, der Prälat
Auch das Nötigste nur tat.
Segnen ja, das musste sein:
Fürsorge und Beistand nein,
Dazu war er nicht bereit
Denn es war ja Jausenzeit.

Nun galt sein ganzer Lebenszweck,
Dem Käs, dem Weißbrot und dem Speck
Und außerdem war er nicht dumm;
"Wer Gutes tut braucht Publikum"
So dachte er in Schwerenot
"Und morgen sind die eh all tot!"

Dann war im Generalstabszelt
Nach langem Marsch er angekommen.
Hier war in Ordnung noch die Welt!
Er hat sich ein Stück Käs genommen
Und ließ von all den andern Dingen
Sich nur die allerbesten bringen.

Während sie so beim Schmausen saßen
Die Truppe völlig sie vergaßen.

Doch draußen für die normalen Streiter
Ging der Krieg indessen weiter.
Im Felde gab es keine Pause.
Vielleicht ein Maiskorn mal als Jause,
An einer vom Feind geschützten Stelle,
An der Front in aller Schnelle;
Mehr war nicht drin für die Soldaten
Die trotzdem ihre Pflicht all taten
Um im zähen Ringen
 Die Frösche zu bezwingen.

Indes brachte der Tross den Speck
Zum Einsatzstabe mit dem Zweck

Dass die Generalität
Nicht in Verlegenheit gerät,
Den Hunger so zu spüren auch
Wie es draußen ward der Brauch
Auf dem Schlachtfelde im Kampfe.

Auch den Käse bracht der Tross
Nicht an die Front, sondern zum Schloss
Damit der Adel ihn dort mampfe.


Dort hatten alle voll den Schmer
Doch dort wo man für die sich schlug
Waren alle Bäuche leer
Weil alles man nach hinten trug,
Damit die Herrschaften vom Stabe
Sich erfreuten an der Gabe
Welche dem Manntier unerlaubt
Man hatte heimlich weggeraubt.

***

So ist es wenn sich Völker streiten.
So war es immer! Zu allen Zeiten
Haben die Führer in der Schlacht
Stets zuerst an sich gedacht.
So wie seit jeher es war Brauch,
So war es diesmal wieder auch.

Auch draußen war es so wie immer.
Doch die Folgen waren schlimmer.

"Sterben müssen stets die Kleinen.
Der König jedoch mit den Seinen,
Damit dem Volk sie lang noch nützen,
Lässt sich vom Militär beschützen.
Und die Generalität,
Von morgens früh bis abends spät,
Schürt die Feindschaft, sorgt dafür,
Dass des Krieges Krebsgeschwür
Weiterwuchert und gibt Acht,
Dass der Frontsoldat mit Mut
Die Drecksarbeit für sie all tut
Auf dem Schlachtfeld an der Front,
Während man sich hinten sonnt."

So dacht' Mauskrieger Beißgern just
Als ihm 'ne Lanze durch die Brust
Gestoßen wurd von vis-à-vis,
Dass aus seinem Rücken sie
Austrat mit seinem Herz daran.
Ach was hat das weh getan!


Seine Seele, schier zur gleichen Zeit,
Nutzte die Gelegenheit
Und schlüpfte mit hinaus durchs Loch.
Sie ist im Paradiese nun
Um ewig sich dort auszuruh'n;
So stets im Sterbeprotokoll.
Sie hat vom Krieg die Schnauze voll
Und lässt sich's gut gehen dort oben
Wo alle den Jenseitsfrieden loben
Und für alle Ewigkeit
Vor dem Ungeheuer sind gefeit
Welches Volk und Land  verbrennt
Und herrisch Völkerkrieg sich nennt.

Hingegen Beißgerns Leiche immer noch,
Liegt mit großem, rostig rotem Leck,
Da wo sie gefallen ist, im Dreck
Verwesend, dick bedeckt mit Schimmel,
Und stinkt entsetzlich schon zum Himmel,
Als wollte sie sich so beklagen
Darüber dass sie totgeschlagen
Ward oder auch erstochen.

Nebenan zur selben Zeit,
Er hat es nicht gerochen,
Focht Beißgerns Bruder einen Streit,
Beißlieb hieß die tapfre Maus,
Mit Paddehex von Padde aus.

Erst hieb dem Frosch ein Bein sie ab.
Als der noch keine Ruhe gab,
Schlug sie, da er noch immer stand,
Ihm mit dem Schwerte ab die Hand.

Als er laut um Hilfe schrie,
Wurde richtig wütend sie.
Sie rammte ihm den langen Speer
Zornentbrannt in seinen Schmer,
Dass der, nachdem er Schwung aufnahm,
Rückwärtig zum Vorschein wieder kam
Und auch noch seinen Arm durchstieß.
Da schrie der Frosch so wie am Spieß
Und hauchte dabei die Seele aus.
"Der ist hinüber" dacht die Maus
Und wandte sich sogleich im Nu
Mutig dem nächsten Gegner zu.

***

Die Schlacht die nun am Teich entbrannte
Man spätere Schlacht der Schlachten nannte.

Die tapfersten Helden beider Seiten,
Berufssoldaten wie Vasallen,
Sind im Felde all beim Streiten
An diesem Nachmittag gefallen.
Tausende in einer Stunde
Gingen vor die Hunde.

Quakkopp starb in Quakmanns Arm.

"Die abgeschlagnen Hinterbeine"
Dacht' er, "oh, das waren meine.
Sie haben mich an manchen Tagen
Des Nachts zum Froschkonzert getragen,
Wo ich am Teich so mancher jungen
Kröte hab ein Lied gesungen,
Dass sie mit den Augen rollte
Und mit mir machte was ich wollte
Am Teiche bei der Quakerei.

"Die verdammte feige Maus"
Durchfuhr es ihn nun voller Harm,
"Die schöne Zeit ist nun vorbei!"

Dann zeigte er dem Kumpel an
Mit letztem schwachen Fingerzeig,
Wer ihm das hinterhältig feig
Hatte im Felde angetan.

Die Maus hat schnellstens in der Flucht
Ihr Heil vor Rache nun gesucht.
Doch sie ist nicht so weit gekommen
Wie sie es hatt' sich vorgenommen.
Mitten drin in ihrer Flucht
Traf es sie mit voller Wucht.



Ein spitzer Schrei, schon war es aus
Mit Kralle der Soldatenmaus.

Knibber ging es ähnlich; er
Starb nicht durch eines Gegners Speer.
Es war ein Schwert, das ganz gemach
Frosch Krottebabbert in ihn stach.

Er stöhnte nur laut "aah, oh, uh."
Dann war er tot und hatte Ruh.

Auch Nusskernspalter hatte Pech.
Uleckenvadder, dreist und keck,
Stach ihn mutig im Kampfe nieder.

In den Krieg musst er nie wieder
Denn als er fiel war er schon tot.
Kässchmatzer, ein grauer Patriot,
Folgte seinem Landsmann nach.
Just als Schopport ihn erstach
(Alle Froschnamen aus der Inaugural-Dissertation
von Ursula Wiepen zum Deutschen Wortatlas, 1945)
Und ihm das Bauchfell hat zerzaust,

 
Sang mit dem Banner in der Faust,
Unten am Pausbacks Moorteichried
Er das Mausulinalied
"Hoch lebe Mausulina hoch!"
Zum Schluss war's nur ein Krächzen noch.
Dann fiel auch er, sein Fell war rot
Von seinem eignen Blut getränkt.
Er hat die Fahn' noch mal geschwenkt
 Und starb als Held und Patriot!

***

Gestorben ohne rechten Sinn,
Wurde im Feld auch weiterhin.
Über des weit're Schlachtfanal
Bericht ich hier das nächste Mal.

wird fortgesetzt




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Zur Einstimmung

Bei dem hier unter dem Pseudonym R.W. Aristoquakes virtuell zur Veröffentlichung gebrachten, mehr als einhundertfünfzigtausend Doppelverszeilen umfassenden und mit über 15.000 Zeichnungen versehenen Epos handelt es sich um die umfangreichste Nacherzählung des Homer zugeschriebenen Kriegsberichtes, die jemals niedergeschrieben wurde und nach Auffassung des Autors, um das wichtigste literarische Werk der Neuzeit überhaupt.

Unter dem oben abgedruckten Titel veröffentlicht der noch unbekannte Schriftsteller an dieser Stelle in den nächsten fünf Jahren sein als Fortsetzungeerzählung entstandenes Mammutmachwerk über den antiken Tierkrieg und dessen Folgen für die Menschheit.

Das über zweitausend Jahre alte homerische Epillion, das im Original nur etwa 300 Verszeilen umfasst, wurde von R.W. A., der zehn Jahre lang daran gearbeitet hat, zu einem Mammutwerk aufgebläht, das die Batrachomyomachia mit der Ilias und der Bibel verbindet.

Diese Verknüpfung der drei wichtigsten Werke der abendländischen Literatur, die in etwa zur gleichen Zeit entstanden sind, dient dem Autor dazu, seine religionsgeschichtliche These zu untermauern, in der er den Frosch als Ursprungsgottheit darstellt und behauptet, dass die Götter der Neuzeit nichts anderes sind als die konsequente Weiterentwicklung der ägyptischen Froschgötter.